Die geheime Welt der Frauen
sollen. Tatsächlich kosten sie ein kleines Vermögen - aber sie sehen trotzdem aus wie die Fummel beim Abschlussball in der Highschool.«
Sima gluckste verständnisvoll.
»Und was alles noch schlimmer macht - die anderen Brautjungfern sind alle aus ihrer Studentenverbindung und Anfang zwanzig. Ich bin mindestens zehn Jahre älter, von meinen zwei Kindern ganz zu schweigen, aber wir sollen alle die gleichen Klamotten tragen. Ich glaube, sie will mich demütigen.«
»Autsch.« Timna erschauderte.
»Ganz genau.« Suzanne atmete aus. »Jedenfalls hab ich mir gedacht, ich könnte mir wenigstens die richtige Unterwäsche besorgen. Ich brauche ganz dringend etwas, was meinen Bauch flach macht.«
»Kein Problem«, erklärte Timna. »Aber haben Sie schon versucht, mit Ihrem Bruder darüber zu reden? Ich bin sicher, wenn Sie ihm erklären …«
Sima hob den Finger. »Widersprechen Sie niemals der Braut. Das zahlt sich nicht aus.«
»Ach, ja? Dumm gelaufen. Ich habe bereits erwähnt, dass die Kleider stark an diesen Love-Boat- Serienkitsch erinnern, und mein Bruder hat mich seit zwei Tagen nicht zurückgerufen.« Während Timna sie bediente, rekapitulierte Suzanne die Geschichte für die beiden Frauen. Ihr Bruder Adam sei zehn Jahre jünger als sie. Als Kind habe sie ihn vergöttert, und auch jetzt komme er noch zwei oder drei Mal die Woche zu ihr zum Essen. »Meine Kinder beten ihn an«, erklärte sie. »Er ist lieb, lustig und überhaupt umwerfend. Aber dieses Miststück hat ihn kennengelernt, als er sich von einer Enttäuschung erholte, und Adam lässt sich einfach zu leicht ausnutzen.«
Sima nickte und seufzte an den richtigen Stellen. Nach den vielen Jahren hörten sich all die Geschichten gleich an, aber sie gingen einem dennoch nahe. Suzanne war einsam - das sah jeder.
»Ich bringe Ihnen eines meiner Sets«, erklärte Timna, nachdem sie ihr in einen Body geholfen hatte. »Die sind fantastisch, und Sie brauchen eine Aufmunterung.«
Timna hatte einen Monat zuvor angefangen, Einkäufe für den Laden zu machen. Sima hatte sie dazu ermuntert, weil sie nicht wollte, dass Timna sich langweilte. Jetzt gab es Schachteln voller leuchtend bunter Spitzendessous, die sie selbst nie ausgesucht hätte: Animal-Prints und Grundfarben. Sie war skeptisch gewesen. »Vergessen Sie nicht, wer unsere Kundinnen sind«, hatte sie zu Timna gesagt und auf die Stange mit langärmligen, bodenlangen Nachthemden, einige davon sogar hochgeschlossen, gedeutet. Aber Timna schien den Bogen rauszuhaben, wenn es darum ging, etwas Neues auszuprobieren. Sie zeigte die neue Ware nicht jeder Kundin, aber wenn sie es tat, verkaufte sie sie auch.
Sima überließ Timna die Leiter und beobachtete, wie diese ein paar Dessous für Suzanne aussuchte. »Die sind aus der ›Sunset Horizons‹-Kollektion«, rief die junge Israeli. »Mit Ihrem kastanienbraunen Haar …« Sie wählte drei Garnituren aus, pfirsich-, gold- und lavendelfarben, jeweils mit roter Spitze eingefasst.
Den Namen der Kollektion zu erwähnen wäre Sima nie eingefallen, sie hätte ihn gar nicht bemerkt, genauso wenig die Dessous-Farbe mit der Haarfarbe in Zusammenhang zu bringen. Das wirkte irgendwie effekthascherisch, doch sie musste zugeben, dass es funktionierte.
Suzanne nahm das pfirsichfarbene Set. »Wer weiß«, sagte sie, als Sima die Einkäufe zusammenrechnete. »Vielleicht fange ich den Brautstrauß, tu mich mit dem Bandleader zusammen und
lebe glücklich bis an mein Ende?« Sie lächelte bitter, ihre Augen glänzten kalt.
Sima reichte ihr die Einkaufstüte. »Es wird besser, sobald die Hochzeit vorbei ist«, beruhigte sie. »Das sehe ich die ganze Zeit.«
»Ja, sicher. Sie ziehen nach Michigan, also ist er für mich endgültig verloren.« Suzanne atmete wieder aus. »Na ja, alles bestens, stimmt’s?«
»Richtig«, erwiderte Sima und fragte sich, wie ihr das bislang entgangen sein konnte und ob Connie und Art etwas davon bemerkt hatten: Suzanne war die traurigste Frau, die sie kannte.
Einen Monat nach ihrem ersten Termin ging Sima wieder zu dem Arzt. Es war fast tröstlich, wieder hier zu sein, jetzt, da sich alles so vertraut anfühlte. Der sanft geschwungene Schreibtisch am Empfang, wo sie ihren Namen nannte und zusah, wie ihn eine junge Frau mit dunklem Haar und ruhigem Lächeln von einer Liste strich. Der Warteraum mit den gelben Tweed-Sofas, die rund um einen weißen Teppich standen. Und die Modejournale, die sie das letzte Mal nur durchgeblättert hatte, weil sie zu
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