Die geheime Welt der Frauen
nichts«, antwortete Timna, »wenn ich nicht hier wäre, würde ich bloß mit Jammermiene um meine Verwandten herumschleichen.« Sie setzte sich an den Tisch und zog die Beine an. Lev brachte ihr Kaffee, den sie trank, während er ihr von dem Artikel erzählte. Er redete schnell, den Blick auf die Zeitung gerichtet. Als er den Kopf hob, bemerkte Sima, dass er einen Moment lang auf den Ansatz von Timnas Brüsten sah, den man in der Öffnung des Bademantels sehen konnte.
Wie lange war es her, dachte Sima, dass sein Blick auf ihrem Körper verweilt hatte? Wie viel länger noch, seitdem sie sich das gewünscht hatte?
»Seit er pensioniert ist«, erklärte Sima und bemerkte, wie
perfekt das verblichene Grün des Bademantels zu Timnas olivfarbenen Augen passte, »geht er jeden Morgen los und holt die Zeitung. Früher hatten wir ein Abonnement, er hat es gekündigt. Es ist seine ganze Freude«, fuhr Sima fort und deutete auf Lev, »jeden Tag zum Zeitungsstand zu spazieren.«
Lev rieb einen Kaffeefleck von dem dunklen Holztisch. »Ein Spaziergang und die Zeitung«, sagte er zu Timna, »das sind die guten Dinge im Leben.«
»Er liest den ganzen Morgen. Den ganzen Morgen, stimmt’s, Lev?«
Lev schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Meistens.«
»Meistens. Und was dann?« Sima sah Lev an. »Fernsehen?«
Lev strich abwesend mit dem Finger über den Tisch.
»Fernsehen«, sagte Sima.
Lev sah sie an und runzelte die Stirn. Sima zuckte die Achseln. Er wandte sich ab und sah auf den Regen hinaus, der in Schwaden herunterströmte, den Beton ihres Hinterhofs dunkelgrau färbte und die offenen Abfalltonnen mit braunem Wasser füllte.
Sie tranken Kaffee und teilten sich die Zeitung, während sie warteten, bis Timnas Kleider trocken waren. Sima achtete nicht auf das Heulen des Trockners, aber Lev sprang sofort auf und beeilte sich, in den Wirtschaftsraum zu verschwinden, damit sich Timna in der Wäschekammer neben der Küche umziehen konnte.
»Brauchen Sie einen Bademantel?«, fragte Sima, als Timna aufstand, um sich umzuziehen. »Sie können ihn behalten, wenn Sie wollen - er steht Ihnen tausend Mal besser als mir.«
Timna wirkte überrascht. »Oh«, antwortete sie. »Danke, aber ich trage gewöhnlich keinen.«
»Nun, vielleicht sollten Sie damit anfangen. Ich sage Ihnen, er sieht großartig aus.«
»Das ist wirklich großzügig von Ihnen«, erklärte Timna, als sie aus der Wäschekammer kam, »aber ich brauche keinen.«
»Sind Sie sicher? Weil ich mir ohnehin einen neuen kaufen sollte, und das Grün passt so gut zu Ihren Augen …« Plötzlich war es wichtig, Timna etwas aus ihrem Leben zu geben. Sie konnte sich vorstellen, wie Timna ihn an einem Regentag trug, wenn sie es sich neben Alon bequem machte, oder noch besser, wenn sie schwanger war und sie den weiten Mantel über den Bauch ziehen konnte …
»Danke«, antwortete Timna, »aber ich glaube nicht, dass ich ihn tragen würde. Ich meine, heute Morgen war er perfekt, aber …«
Sima biss sich auf die Lippe, als sie sich den Rest des Satzes vorstellte: perfekt für diesen Morgen, wenn sie nur mit ihr und Lev zusammensaß, aber nichts, worin sie sich überraschend antreffen lassen wollte. Ein alter Bademantel, verblichen, ausgeleiert und langweilig - gerade richtig für sie selbst, aber nichts, was Timna sich wünschte.
»Um auf den Regen zurückzukommen«, sagte Sima, um das Thema zu wechseln. »So ein bisschen Regen sollte ja keine große Angelegenheit für Sie sein. Sie waren doch in der Armee, sind durch Schlamm gewatet, Wasser ist Ihnen übers Gesicht gelaufen …«
»Genau, wie Rambo. In der Armee habe ich russischen Einwanderern Hebräisch beigebracht - ich hab mir nicht das Gesicht geschwärzt und bin nicht durchs Gebüsch gerobbt. Nur einige Frauen, diejenigen, die Männer trainieren, leisten richtige militärische Arbeit.«
»Die Frauen trainieren tatsächlich die Männer?«
»Sicher«, antwortete Timna, als sie wieder in die Küche kam, und ihre Jeans, wie Sima bemerkte, durch den Trockner viel enger geworden waren. »Sie kümmern sich um eine Einheit während
der Grundausbildung, organisieren alles. Ein paar von meinen Freundinnen haben das gemacht. Aber es ist schwierig - es wird erwartet, dass man wie eine Mutter für diese Jungs sorgt, aber sie sind in deinem Alter. Und wenn sich einer verknallt …«
Sima nickte und senkte den Kopf, als sie zusah, wie Timna ihre lavendelfarbenen Söckchen überstreifte und ihr Fußkettchen unter der
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