Die geheime Welt der Frauen
Spaß macht.«
»Jede Menge Spaß, wahrscheinlich«, antwortete Sima und warf drei Tomaten in eine Plastiktüte.
Connie ignorierte die Bemerkung. »Anwaltssekretärin vielleicht oder Verkäuferin bei A & S oder Gimbels - denk doch nur an die Rabatte.«
Sima knotete die Tüte zu und runzelte die Stirn. Sie kannte nicht viele Frauen in ihrem Alter, die arbeiteten. Die meisten ihrer Freundinnen hatten direkt nach der Highschool geheiratet, und obwohl ein paar Abschlüsse als Lehrerinnen und Krankenschwestern machten oder ins Familienunternehmen eingestiegen
waren - Textilien, Elektroartikel -, hörten sie auf zu arbeiten, wenn die Babys geboren wurden, und blieben mindestens so lange zu Hause, bis alle Kinder eingeschult waren.
»Ach, komm, Sima«, sagte Connie und folgte ihr zu den Orangen hinüber. »Wenn du statt in Boro Park anderswo aufgewachsen wärst, wärst du aufs College gegangen und hättest einen ordentlichen Job. Du bist so klug und so tüchtig - du hast uns vor der Armut bewahrt, Herrgott noch mal.«
Sima gab vor, sich auf die Orangen zu konzentrieren - die blassen, hatte sie kürzlich gelesen, seien am süßesten -, weil sie nicht zugeben wollte, dass das Kompliment ihr schmeichelte. »Ich hab dich nicht vor der Armut bewahrt, Connie, ich hab dir bloß beigebracht, mit deinem Budget auszukommen.«
»Vor der Armut, Sima. Meine Jungs würden in Lumpen gehen, wenn du nicht wärst.«
Sima blickte auf. »Werd mir bloß nicht frech, ja?«, meinte sie neckend.
Connie lachte. »Denk darüber nach, okay? Tu mir einfach den Gefallen.«
Sima wurde Buchhalterin bei drei Geschäften in der Nachbarschaft: Faye’s Fashion, Michael’s Fotoladen und Heilige-Land-Reisen. Wegen Faye’s Fashion hatte sie sich anfangs Sorgen gemacht. Obwohl sie sich vor dem Vorstellungsgespräch drei Mal umzog, war sie sicher, nicht so elegant zu sein, wie man es dort verlangte, aber es wurde schnell ihr Lieblingsarbeitsplatz. Im Fotogeschäft und im Reisebüro saß sie abgetrennt von der Kundschaft: Bei Michael’s teilte sie sich einen alten Metallschreibtisch mit einem blutjungen Mann, bei dem noch kaum der Bart spross, dessen Aufgabe es war, die Fotos in die richtigen Umschläge einzusortieren, und der jedes Mal tief errötete, wenn er auf den Bildern eine Frau im Bikini sah. Bei Heilige-Land-Reisen gab man ihr zwar einen Mahagonitisch
komplett mit olivfarbener Schreibtischgarnitur, dessen lederner Stifthalter immer üppig gefüllt war, aber man erwartete von ihr, dass sie in der Zeit, in der sie die Buchhaltung machte, still sitzen blieb und dann heimging.
Bei Faye’s jedoch saß sie neben der Ladentheke mit einer der Verkäuferinnen oder mit Faye selbst. Faye hatte blond gefärbtes Haar, lange Fingernägel und eine Stimme, die nach dreißig Jahren als Raucherin heiser geworden war, aber ihr Lächeln war immer verschwörerisch und gab Sima stets das Gefühl, sie und Faye stünden gegen den Rest der Welt. Faye bezahlte ihr nur fünf Stunden in der Woche, zehn, wenn die Steuerabrechnung anstand, aber Sima blieb oft länger und sah mit ihrer Chefin die Warenmuster durch, die die Vertreter brachten, oder sie diskutierten, was und zu welchem Preis ins Angebot aufgenommen werden sollte.
»Du bist die typische Boro-Park-Frau«, erklärte Faye einmal. »Ich bin hier, um dieser Frau Flair zu verleihen, aber ich schaff es nur bis zu einem gewissen Grad - du bist für mich so etwas wie eine Probe aufs Exempel.«
»Wenn ich etwas tragen würde«, sagte Sima lachend, »würden es alle tragen, richtig?«
Faye lächelte. »Erst fünfunddreißig, und schon die konservativste Frau in Boro Park.«
»Abgesehen von den Chassiden.«
»Abgesehen von den chassidischen Männern vielleicht. Du trägst kurze Ärmel und Hosen, aber hast du gesehen, wie hübsch sich einige dieser Frauen anziehen? Ich überlege mir, eine Kollektion nur für sie rauszubringen. Jedes Frühjahr würden wir eine Modenschau für die hohen Festtage veranstalten. Kannst du dir vorstellen, was ich allein mit Hüten verdienen würde?«
Faye wurde zur Freundin. Sima liebte es, neben ihr zu sitzen,
Kaffee und Plätzchen in Reichweite, während sie mit jeder Frau klatschte, die in den Laden kam. »Wir verkaufen ihnen ein besseres Aussehen«, erklärte ihr Faye. Und obwohl die Kleider hauptsächlich aus Baumwolle und Polyester bestanden, hatte Sima, während sie eine Frau beobachtete, die ihr Spiegelbild anlächelte und sich dabei hin und her drehte, das Gefühl, dass Faye
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