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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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bei Shai zu probieren - ihn hatte sie zumindest schon getroffen. Er könnte ihr vielleicht helfen, mit Timnas Mutter in Kontakt zu treten, und vielleicht war er sogar der Vater - eine Möglichkeit, die sie sich erhoffte und mit der sie doch haderte. Sie betete um einen Anrufbeantworter - sie würde auflegen, es irgendwann noch einmal probieren.
    Beim dritten Klingelton nahm jemand ab.
    »Hallo?«
    »Hallo. Ist Shai da?«
    Sima hörte, wie der Mann Shais Namen rief und dann Schritte, die sich näherten. Sie kam sich vor wie ein Teenager, der von einem Telefon im Gang einen Jungen anrief, den Hörer
dicht am Mund, um notfalls flüstern zu können, während die Mutter Abendessen kochte.
    »Ja?«, meldete sich Shai.
    »Shai«, sagte Sima mit gekünstelter Munterkeit, »hier ist Sima, Timnas Chefin.«
    Es folgte eine Pause. Sie spürte, wie er seine Hand auf den Hörer presste, und hörte, wie er seinem Mitbewohner etwas zuflüsterte.
    »Sima, hallo.« Sie hörte die Frage in seiner Stimme.
    »Hallo«, erwiderte sie und bemühte sich um einen freundlich warmen Tonfall. »Wie geht’s Ihnen?«
    Nach dem üblichen Small Talk - den üblichen Bemerkungen über den Februar in New York, wie kalt, grau und nass er war - zwang sie sich, die Unterhaltung vorwärtszutreiben. »Ich rufe wegen Timna an«, erklärte sie und wickelte die Telefonschnur ums Handgelenk - natürlich wüsste er, dass sie wegen Timna anrief. »Ich rufe an«, fuhr sie fort, ihre Worte sorgfältig wählend, »weil ich mich gefragt habe, ob, nun ja, ob Sie in letzter Zeit den Eindruck hatten, dass sie krank ist?«
    »Krank?«
    »Ja. Sie ist müde und …« Sima hielt inne, unsicher, wie sie es erklären sollte, ohne zu viel zu verraten. »Sie hat oft Probleme mit dem Magen, wie mir aufgefallen ist«, fügte sie hinzu, erfreut über ihr Feingefühl.
    Es kam keine Antwort. Sofort machte sich Sima Sorgen, nicht feinfühlig genug gewesen zu sein. »Ich würde ja nicht anrufen«, erklärte sie zunehmend beschämt, »aber Sie kennen Timna ja, sie weigert sich, zum Arzt zu gehen, und ich habe nicht das Gefühl, dass ihre Kusinen wirklich auf sie achten. Und ich wollte einfach nicht untätig zusehen, falls es wirklich ein Problem geben sollte …« Sima hielt erneut inne. Warum nahm
er den Ball nicht auf, den sie ihm zugeworfen hatte? »… bei dem ich behilflich sein könnte.«
    »Glauben Sie, dass mit ihrer Gesundheit etwas nicht in Ordnung ist?«
    »Nun, ich will Sie nicht beunruhigen …« Sie zog die Schnur fester an, sodass sie in ihre Haut einschnitt.
    »Glauben Sie, sie muss ins Krankenhaus oder so was?«
    »Nein, nicht unbedingt.« Sima zögerte. Sie hatte gehofft, Shai würde sich ihr anvertrauen, wäre erleichtert, jemanden zu haben, mit dem er sich die Last von Timnas Geheimnis teilen konnte. Als sie heute Nachmittag Timna beim Bedienen einer Kundin beobachtet hatte und bemerkte, dass diese das Baby der Frau ignorierte, obwohl Timna sonst immer, wie alle guten Verkäuferinnen, über jedes Kind begeistert war, hatte sie sich vorgestellt, dass sie und Shai Timnas Probleme lösen würden. »Danke, Sima«, hätte er gesagt, so stellte sie es sich vor, »ohne Sie hätte ich es nicht geschafft.« Und obwohl sie noch nicht entschieden hatte, was »es« war, außer dass Timna am Schluss sicher und glücklich sein würde - was möglicherweise auch Shais Entfernung zur Folge haben könnte -, lächelte sie immer noch bei dem Gedanken, wie sie seine Dankesbezeugungen abwehrte, dass es doch nicht der Rede wert sei, nichts, was nicht jeder täte.
    »Ich habe mich nur gefragt …«, begann Sima, entschlossen, einen letzten Versuch zu wagen. »Haben Timna und Sie je darüber gesprochen? Darüber, dass sie sich nicht sonderlich wohlfühlt?«
    Shai brauchte einen Moment, um zu antworten. »Ich glaube nicht, dass sie so was erwähnt hat.«
    »Es ist ja nur«, fuhr Sima fort und deutete sein Zögern als ein Zeichen, dass seine Abwehr langsam bröckelte, »ich weiß, dass Sie einer ihrer … ähm … engsten Freunde in New York sind, also dachte ich, sie hätte Ihnen gegenüber etwas angedeutet …«
    »Nein. Tatsächlich hab ich sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
    Sima ließ die Telefonschnur los. Vor ein paar Tagen hatte Timna erzählt, sie sei mit Shai im Kino gewesen.
    »Wann haben Sie sie denn zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor ein paar Wochen.«
    Sima senkte die Stimme. »Ist etwas vorgefallen?«
    Sie brauchte das anschließende Schweigen nicht, um zu wissen,

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