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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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Sima, inzwischen vollkommen hingerissen vom unwiderstehlichen Reiz dieser Tragödie. Ohne nachzudenken, ging sie zu Timna hinüber und wollte sie in die Arme schließen, blieb aber plötzlich vor dem Nähtisch stehen, weil sie nicht sicher war, wie sie das anstellen sollte - Timna saß auf dem Stuhl, ihr Körper unerreichbar für sie. »Wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann«, versicherte Sima, »wenn Sie irgendwas brauchen …« Sie legte die Hand auf Timnas Schulter und drückte sie leicht.
    Timna rieb sich die Augen. »Sehen Sie sich das an«, sagte sie und nahm einen braunen Umschlag aus ihrer Tasche. Sima griff hinein und zog eine Grußkarte heraus. Auf der Vorderseite
sah man gelbe Sonnenblumen, die in einem grünen Feld blühten, auf der Innenseite stand nichts. »Ich hab eine halbe Stunde gebraucht, um mich für eine Karte zu entscheiden. Dreißig Minuten! Und jetzt muss ich mir überlegen, was ich schreiben soll.« Timna seufzte, als sie die Arme auf dem Tisch überkreuzte und den Kopf darauflegte.
    Sima streichelte über Timnas Haar, unfähig, dem Drang zu widerstehen. »Es ist auf jeden Fall nett von Ihnen, ihr zu schreiben«, begann sie. Sie war eifersüchtig, weil Timna ihrer Mutter eine Karte schrieb, und überlegte verzweifelt, was sie sagen könnte. Ein oder zwei Mal strich sie noch über Timnas Haar, bevor sie sich zwang, die Hand zurückzuziehen.
    Timna zuckte die Achseln, erklärte, dass sie die Karte nur aus Schuldgefühl gekauft habe. Ihre Mutter habe sie beschuldigt, sie würde sich mehr um Udi sorgen als um sie. »Und vielleicht stimmt das sogar«, fügte Timna hinzu und setzte sich auf. »Vielleicht würde ich lieber ihn behalten als sie.«
    Sima faltete die Hände, unsicher, was sie sagen sollte. Sie war begeistert, zum Teil deswegen, weil Timna so wenig Respekt für ihre Mutter empfand: An dieser Beziehung gab es nichts zu beneiden. Und was den Anruf anbelangte - selbst Connie würde zustimmen, dass Timnas Mutter im Moment nicht benachrichtigt werden sollte. Gleichzeitig konnte Sima nicht umhin, Mitleid für Timnas Mutter zu empfinden. Sie stellte sich vor, wie diese als Kundin in den Laden kam, traurig den Kopf schüttelte und fragte: »Ich weiß nicht, warum sie mich hasst; ich kann mir nicht vorstellen, was ich getan habe.«
    »Ich hoffe bloß, ich ende am Schluss nicht wie sie«, sagte Timna. »Manchmal habe ich Angst, es könnte mir genauso ergehen.«
    Sima wollte Timnas Ängste gerade zerstreuen - natürlich würde sie nicht so enden wie ihre Mutter -, als etwas sie zurückhielt.
»Dann haben Sie also Angst, so zu werden wie sie?«, fragte sie.
    »Schreckliche Angst.«
    Sima nickte. Sie dachte an alles, was sich für Timna in den letzten Monaten verändert hatte: die Trennung von Alon, die langen Nächte mit Shai und Nurit und schließlich die Veränderungen in den letzten paar Wochen. »Was an ihr löst denn diese Angst bei Ihnen aus?«, fragte Sima.
    »Ich weiß nicht. Es ist nicht leicht, das genau zu benennen.« Timna griff nach einer Spule mit dunkelblauem Faden neben der Nähmaschine und begann, sie auf dem Tisch hin und her zu rollen. »Die Art, wie sie Männer braucht, aber sie immer wieder wegstößt, denke ich.«
    »Und glauben Sie denn«, fragte Sima - aufgeregt, weil plötzlich alles so genau zu passen schien -, »dass es zu dieser Sache mit Alon, der Trennung von ihm, gekommen ist, weil Sie sich zu festgelegt gefühlt haben, zu abhängig?« Sie brach ab und sah Timna an. »Glauben Sie, dass Sie Alon deshalb weggestoßen haben, weil Sie Angst hatten, so zu werden wie Ihre Mutter?«
    Timna tippte auf die Spule und drehte sie um. »Was?« Sima zögerte und wusste erneut, dass sie aufhören sollte, brachte es aber nicht über sich: Alles hatte sich geändert, als Timna Alon verließ. Ihn zurückzubringen würde vielleicht bedeuten, dass Timna wieder Freude empfand. »Damals, als Sie mir die Fotos zeigten, haben Sie gesagt, dass Ihre Mutter Angst habe, allein zu sein, dass sie immer einen Mann brauche.«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht mehr genau …«
    »Aber dass sie gleichzeitig nicht in der Lage sei, eine wirkliche Beziehung zu führen. Sie braucht die Männer, stößt sie aber immer wieder weg, richtig?«
    Timna wartete einen Moment, bevor sie antwortete. »Richtig.«
    »Timna«, sagte Sima mit liebevollem Blick - wie jung sie
doch war, wie sehr sie doch Führung brauchte. »Als Sie sich von Alon getrennt haben und sagten, Sie wollten nicht aus Angst, allein zu sein,

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