Die geheime Welt der Frauen
unten mit braunen Kacheln verkleidet, die die grellen Deckenlichter reflektierten. Die Mädchen rannten, in ihre Handtücher gewickelt, den leeren Gang entlang und riefen nach Partnerinnen für Unterwasser-Teepartys.
»Du kannst nicht schwimmen?«, fragte einer der Bademeister am ersten Tag grinsend. Es gab zwei von ihnen, aber er war der Gutaussehende, und durch die Art, wie er mit den Mädchen scherzte - ihr Haar zerzauste, ihnen Spitznamen gab und sich nicht als Stan, sondern als »der Stan« vorstellte -, war es offensichtlich, dass er das auch wusste. Sima schüttelte den Kopf und ließ die Beine ins Becken baumeln.
»Na komm, du musst wenigstens einen Badeanzug anziehen.«
»Ich hab keinen dabei.« Ihre Frotteeshorts waren feucht von dem nassen Betonboden. Sie spürte seine Blicke auf sich ruhen und wurde rot. Er war älter als sie - achtzehn, neunzehn? Auf seinen Wangen und seinem Hals zeigten sich Bartstoppeln.
»Aha«, sagte er und drohte mit dem Finger, womit er scherzhaft Mrs. Lewis, die Leiterin des Camps, nachmachte. »Nicht vorbereitet.«
Sima zog einen Flunsch. »Sehr komisch.« Sie bemühte sich,
selbstbewusst und sexy aufzutreten, wie die Frauen in Filmen, wenn sie am Pool lagen: Grace Kelly, Katharine Hepburn.
»Beim nächsten Mal«, sagte er, bevor er seine Aufmerksamkeit ihren Schutzbefohlenen zuwandte, deren Lippen vor Kälte bereits blau waren, und ihnen erklärte, wie man Toter Mann spielte.
»Gehen wir mal ein Stück vom Beckenrand weg, ja?«
Sima und Stan standen bis zu den Knien im Wasser und sahen sich an. Er lächelte ihr aufmunternd zu und meinte, dass sie es probieren solle. Sie nickte. Zwei Nachmittage lang hatte er sie am Beckenrand den Beinschlag üben lassen und sich ausschließlich mit ihr beschäftigt, während Bernie, der andere Bademeister, ohne sich viel zu beschweren, auf die Kinder aufpasste.
Sima holte tief Luft, tauchte ein paar Mal halb unter und versuchte vergeblich, die Füße vom Boden abzuheben und sich treiben zu lassen. Sie glaubte nicht, dass das Wasser sie tragen würde, und stellte sich vor, es würde sich zunächst unter ihr teilen, nur um dann über ihr zusammenzuschlagen und eine Decke zu bilden, die sie nicht durchbrechen könnte, um Atem zu holen.
Sie hob ein paar Mal die Beine an, streckte die Arme nach vorn, um loszuschwimmen, schaffte es aber nicht. »Ich geb auf«, sagte sie und hoffte, ihre Angst wirkte eher kokett als erbärmlich. »Ich kann mir nicht helfen, es macht mir Angst.«
Stan streckte die Arme unter Wasser aus. »Na schön, leg dich einfach auf meine Arme. So ist’s gut. Ich halt dich fest.«
Sima lag leicht auf seinen Armen und tauchte den Kopf ins Wasser. Die Geräusche der Kinder, ihr Singen, Planschen und ihre gellenden Schreie waren nicht mehr zu hören. Sie war schwerelos, und er hielt sie fest. Als er sie zu sich kippte, ihren Körper an den seinen drückte - ihre Hüften berührten den faltigen
Taillenrand seiner Badehose, das weiche Haar auf seinem Bauch -, durchfuhr sie eine Hitze und mit dieser Hitze eine Angst, die tiefer war als das Wasser.
Sima öffnete die Augen unter dem Blau, öffnete die Beine, griff mit beiden Händen nach vorn und stieß sich ab. Als sie feststellte, dass sie schwamm, hatte sie sich bereits aus Stans Reichweite entfernt, und obwohl sie vor Überraschung fast innegehalten hätte, zwang sie sich weiterzuschwimmen: mit dem Kopf über Wasser, mit den Armen wild paddelnd und mit den Beinen so heftig schlagend, dass das Wasser hoch aufspritzte.
Stan schwamm ihr hinterher.
Sima kreischte, wich aus, um sich von ihm fernzuhalten, während seine Finger über ihre Fesseln strichen und nach ihren Waden griffen. Vor dem tiefen Teil des Beckens hielt er sie auf und wartete, bis sie wieder zu Atem kam. Sie hatte die Ellbogen auf den Beckenrand gelegt und bemühte sich, eine möglichst lässige Pose einzunehmen, obwohl ihr in der Haltung die Arme wehtaten. Dann zog er sie wieder in den Pool, und während er sie beide mit seinen Beinbewegungen über Wasser hielt, küsste er sie.
Ein paar der Mädchen bekamen dies mit und schrien auf, aber Sima achtete nicht darauf. Seine Lippen schmeckten nach Chlor, beißend sauber. Sie erwiderte seinen Kuss.
Sima schickte die Mädchen in den Umkleideraum und blieb zurück, wie sie es auch während der letzten Wochen getan hatte, um sich von Stan zu verabschieden. Sie machten ein ziemliches Drama daraus, wie ihre Mutter gesagt hätte: Jeder Kuss sollte eigentlich der
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