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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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Umkleidetür klopfte, sie bedauernd auf die Nase küsste.
    Sie sah sich prüfend im Spiegel an, tupfte Lippenstift auf, zwickte sich in die Wangen, um Farbe zu bekommen, und probierte ein Sie-müssen-doch-zugeben-es-ist-komisch-Grinsen, um die Scham zu verbergen, die sie in sich spürte.

    Vor dem Umkleideraum war niemand, auch nicht im Gang oder auf dem Gehsteig. Vielleicht bringen sie die Mädchen nach oben, dachte Sima, als sie die Straße zum Camp überquerte. Sie brauchte Stan mehr als die Mädchen, aber sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie daran dachte, wie er diese an den Händen hielt und versprach, diejenige, die sich am schnellsten umzog, Huckepack über die Straße zu tragen.
    Sie klopfte an Mrs. Lewis’ Tür, spähte durch das Gangfenster in die Schule auf der anderen Seite - er war immer noch nicht aufgetaucht, warum wohl nicht? -, bevor sie auf Mrs. Lewis’ »Herein« reagierte.
    Mrs. Lewis saß hinter einem metallenen Schreibtisch mit je einem Stapel Umschläge auf beiden Seiten. Als Sima eintrat, nahm sie gerade einen Umschlag von dem linken Stapel, leckte den Klebestreifen ab, schloss ihn und legte ihn auf den rechten. Sima beobachtete die langsame Bewegung der Zunge und die feuchte Spur, die sie auf dem Papier hinterließ. »Ich brauch dir wohl nicht zu sagen«, begann Mrs. Lewis und griff nach dem nächsten Umschlag, »dass du gefeuert bist.« Ihre Zunge bog sich, ein schmaler Strich aus Speichel klebte am Papier. »Stan bleibt natürlich«, fügte sie hinzu, während sie die Lasche schloss, »da wir Bademeister brauchen.« Sie legte den zugeklebten Umschlag neben sich. »Ich habe bereits mit ihm gesprochen.« Sie nahm einen weiteren Umschlag von dem Stapel und fuhr mit der Zungenspitze über die Lasche. »Und er ist einverstanden.«
    Sima antwortete nicht, sondern konzentrierte sich aufs Atmen. Ihr war schwindelig, sie fühlte sich angeekelt - Mrs. Lewis’ Zunge fuhr über ihren Hals und hinterließ eine feuchte Spur darauf.
    »Überrascht dich das?«, fragte Mrs. Lewis und zog angesichts von Simas Schweigen die Augenbrauen hoch. »Aber du musst
verstehen«, fuhr sie fort - einen Umschlag in der Hand, während ihre rosa Zunge langsam über den Klebestreifen strich - »sein Verhalten ist verständlicher.« Sie legte den Umschlag zur Seite und lächelte Sima an. »Es ist ja nicht verwunderlich, dass er dich nicht respektiert, Sima. Erstaunlich ist allerdings, dass du es selbst nicht tust.«
    Eine Art Unterwasserecho klang in Simas Ohren. Sie hörte das Ticken der Uhr, das Geräusch von Mrs. Lewis’ Fingernägeln, die über den cremefarbenen Umschlag strichen, das Summen des Lichts an der Decke, das in einem runden Metallkäfig gefangen war. Sie unterschrieb ein Formular, nahm einen Scheck entgegen und hob die Hand zu einer schüchternen Abschiedsgeste, auf die Mrs. Lewis nicht reagierte. Und die ganze Zeit nickte sie mit dem Kopf, als wollte sie sagen, ja, ich verstehe, während die grünen Farben des Raums - tannengrün marmorierte Fliesen, minzfarbene Wände, olivfarbene Ledersessel - um sie schwirrten und sie schließlich aus dem Raum trieben, den Gang hinunter und an dem mit Plastikmatten belegten Hof vorbei.
    Sima blieb stehen und spürte, wie das Wogen nachließ. Dann rannte sie torkelnd zwei Blocks entlang, bevor sie sich gegen die Wand eines Apartmenthauses lehnte und sich auf den Gehsteig übergab.

    Als Sima nichts von Stan hörte, rief sie an. Da er nicht abnahm, lief sie seine Straße entlang, in der Hoffnung, ihm zufällig zu begegnen. Eines Nachmittags wartete sie vor der Schule auf Bernie und fragte ihn, gleichgültig, wie verzweifelt sie wirken mochte, wo Stan hingegangen sei. Er sagte ihr, er habe irgendwo in Queens eine Stelle als Rettungsschwimmer angenommen. Und dann fragte er sie errötend, ob sie diesen Freitagabend frei sei.

    Sie ging weg und wünschte sich, sie hätte den Mut gehabt, ihn zu ohrfeigen und beschämt auf der Straße stehen zu lassen.
    Zu Connie sagte sie nur: »Er war ohnehin langweilig geworden«, und erzählte nie, was zwischen ihnen geschehen war.
    Zwei Jahre später ging sie auf der Coney Island Avenue an Stan vorbei, der mit einem polnischen Mädchen Händchen hielt. Sima senkte den Kopf, um schnell vorbeizueilen, wusste aber, dass er sie ohnehin nicht erkannt hätte. Ihr Körper hatte sich verändert seit damals, Dehnungsstreifen zogen sich über angeschwollene Haut, und obwohl sie jeden Abend auf ihre Hüften schlug, waren sie nicht schmaler

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