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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Blythe, die inzwischen wieder völlig gesundet war, stand aus ihrem Bett auf. Nicholas achtete darauf, daß sie in ihrem Lieblingsraum, dem Damenzimmer, von den Arbeitern so wenig wie möglich gestört wurde. Thomasine holte Blumen aus den Gewächshäusern, um die Genesung ihrer Schwiegermutter zu feiern. Tiefrote Weihnachtssterne und duftende Lilien. Mr. Dilley, der Gärtner, war wütend. »Dilley betrachtet die Gewächshäuser als sein persönliches Eigentum«, erklärte Lady Blythe freundlich. Vom Duft der Lilien bekam Lady Blythe Kopfschmerzen, deshalb mussten sie wieder ins Gewächshaus zurückgebracht werden.
    Thomasines Gefühl, entbehrlich zu sein, ließ nicht nach: Sie war sich darüber im klaren, daß sie Drakesden Abbey nie so effizient würde führen können wie Lady Blythe. Ablenkungen gab es praktisch keine: keine Kunstgalerien, keine Theater und nur ein einziges Kino in Ely. Wenigstens gab es die Bibliothek in der Abbey, die Thomasine immer häufiger plünderte, je kürzer und kälter die Tage wurden. Oft erinnerte sie sich an ihre früheren Jahre in Drakesden, an das Gefühl der Enge und Abgeschiedenheit des Dorfes, an ihre Abneigung gegenüber einem Lebensstil, der ihr überholt vorkam. Nun, da sie als Lady Blythe ein Teil dieser anachronistischen Lebensform war, schmerzte dies nicht weniger, weil die Gebräuche und Rituale, die ihr Leben einschränkten, sinnlos und lähmend wirkten.
    Es wurde kälter, und Thomasine ging mit Socken, Handschuhen, einem Pullover über dem Nachthemd und einer heißen Wärmflasche ins Bett. Sie bat Nicholas, das Bett mit ihr zu teilen, teils wegen der Wärme, teils weil sie seit Sir Williams Tod nicht mehr miteinander geschlafen hatten. Aber das Experiment war kein Erfolg. Seine Alpträume störten ihren Schlaf, und seine Schuldgefühle, daß er sie störte, machten seine Alpträume nur noch schlimmer. Wenn sie es schaffte, ihn so weit zu bringen, bei ihr zu bleiben, stand er oft um Mitternacht oder später auf und zog sich in das inzwischen geputzte und neu tapezierte Arbeitszimmer seines Vaters zurück, wo er sich mit den Plänen zur Elektrifizierung des Hauses beschäftigte. Papiere mit Zahlenreihen, komplizierten Rechnungen und seltsamen Diagrammen stapelten sich auf seinem Schreibtisch.
    Lally, Belle, Julian, Ettie und Boy kamen über die Weihnachtsfeiertage. Thomasine ließ die Schlafzimmer putzen und lüften und machte sich an die Planung der Festmenüs. Gänse, Schinken, Truthahn und Pudding; Obsttorten, Cremespeisen, Pasteten und andere Süßspeisen. Einem fröhlich bunten Wirbel gleich, der sich vor der grauen Landschaft der Fens abzeichnete, trafen die Gäste am Weihnachtsmorgen ein, die Autos vollgepackt mit nutzlosen, teuren Geschenken. Nachts, wenn das Haus dunkel und kalt und Lady Blythe bereits zu Bett gegangen war, spielten sie Verstecken. Thomasine zog sich leise zurück, nachdem sie im Wintergarten über Ettie und Julian gestolpert war, die sich kichernd umarmten. Auf der Treppe fand sie Nicholas, der rauchte. »Was für ein Spaß«, sagte er. Aber er sah müde aus, und seine Augen waren rot gerändert, als er sich an der Kippe seiner letzten Zigarette eine neue anzündete. Thomasine ließ sich neben ihm nieder und sah lange auf den gelben Halbmond hinaus, der am tintenschwarzen Himmel stand.
    Im Februar entließ Nicholas seinen Verwalter. Das Cottage neben der Koppel wurde geräumt. Er würde die Farm selbst bewirtschaften, erklärte er Thomasine – Einsparungen müßten gemacht werden, und die Reduzierung der Lohnkosten sei die naheliegendste Maßnahme dafür. Thomasine begrüßte die Veränderung: Nicholas war immer ausgeglichener, wenn er etwas zu tun hatte. Daß er neue Pflichten übernahm, ließ sie Hoffnung schöpfen, daß er sich mit seinem veränderten Leben abfand, das nach dem Tod seines Vaters begonnen hatte.
    Nachdem der Wind nachgelassen hatte, war die Landschaft wie mit weißem Zuckerguß überzogen. Der Himmel schimmerte gelb, Flocken begann zu fallen, und Schneewehen bedeckten Gärten und Felder. Sie stapften im Garten herum, ihre Stiefel hinterließen die ersten Spuren in der weißen Decke. Das Labyrinth wirkte noch unterirdischer als sonst, da auf den überhängenden Ästen dichter Schnee lag, der die schwachen Sonnenstrahlen fernhielt. In

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