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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wurde dafür nicht erzogen, Nick.«
    Â»Du könntest Mama bitten, dir zu helfen.«
    Â»Ja, vielleicht.« Sie sagte nichts von ihrem Unmut, daß Gwendoline Blythe sie nicht auf die Pflichten hingewiesen hatte, die sie als Herrin von Drakesden Abbey erwarteten. Daß Gwendoline Blythe sich einfach ins Bett gelegt hatte und es ihrer unerfahrenen, unwissenden Schwiegertochter überließ, sich durchzuwursteln.
    Sie sah sich im Arbeitszimmer um. Sie mochte den Raum nicht. Er enthielt zu viele schlechte Erinnerungen.
    Â»Ist dein Vermögensverwalter schon fort?«
    Â»Max? Nein – er bleibt übers Wochenende. Er möchte noch ein bißchen auf die Jagd gehen. Im Moment ist er bei Mama. Max war immer einer ihrer Lieblinge.«
    Der ganze Schreibtisch von Sir William war mit Papieren bedeckt. Viele der Papiere sahen nach Rechnungen aus, fand Thomasine.
    Â»Kann ich dir helfen, Nick? Ich habe Antonias Buchhaltung gemacht. Ich bin ganz gut in solchen Dingen.«
    Â»Oh, nicht nötig.« Nicholas sah vom Schreibtisch auf und lächelte kurz. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht, Liebes. Du kümmerst dich ums Personal. Das meiste Zeug hier muß bloß abgelegt werden. Wenn du dafür sorgen könntest, daß dieses Zimmer geputzt wird – es ist wirklich in einem schrecklichen Zustand.« Er sah auf seine Uhr. »Ich muß nach Mama sehen. Ich hab versprochen, einen Blick reinzuwerfen.«

10
    DIE MÖGLICHKEITEN, SICH in einem Haus von der Größe Drakesden Abbeys zum Narren zu machen, kamen Thomasine unbegrenzt vor. Sie gab Max das falsche Zimmer – Max hat immer das rote Zimmer, meine Liebe. Er ist ein alter Freund der Familie, kein Angestellter –, und auch die Speisenfolge an diesem ersten Tag ließ zu wünschen übrig. Lady Blythe aß oben auf ihrem Zimmer köstliche Comsommés und leichte Omelettes. Unten kämpften sich Nicholas und Max Feltham durch eine entsetzliche Mischung aus Kinderkost und schlecht zubereiteten französischen Gerichten.
    Nachdem sie sich eine Woche lang aufs Geratewohl durchgekämpft hatte, fand Thomasine schließlich eine Reihe von Menüvorschlägen im Schreibtisch des Damenzimmers. Nachdem sie sie sorgfältig studiert und sich von Mrs. Blatchs Stärken und Schwächen überzeugt hatte, begann sie langsam zu begreifen, worauf es bei der Zusammenstellung eines Menüs ankam. Man durfte nicht zu ambitioniert sein und mußte die frischen Zutaten benutzen, die der Küchengarten hergab. Gutes, altmodisches englisches Essen, einfach gekocht. Nicholas hatte keine Verdauungsprobleme mehr, und Thomasine konnte auf den Eßtisch blicken, ohne daß ihr übel wurde.
    Einmal die Woche mußte sie Vorräte an die Dienstboten ausgeben. Die besten Kerzen gab sie dem Küchenpersonal, und die Familie mußte sich in den Salons und Schlafzimmern mit Haushaltskerzen begnügen. Vom Geruch der billigen Kerzen bekam Lady Blythe Migräne. Nicholas saß am Bett seiner Mutter und betupfte ihre Stirn mit Lavendelwasser, während er sich endgültig dazu entschloß, auf Drakesden Abbey elektrisches Licht legen zu lassen. Thomasine schaffte es, den Fehler mit den Kerzen nicht zu wiederholen, aber dann passierte das Unglück mit der Seife. Jedenfalls lag auf den Waschtischen von Nicholas’ pedantischen alten Großeltern, die übers Wochenende ihre Gäste waren, braune Salzseife, während die Dienstmädchen verdächtig parfümiert rochen. Als sie das Problem mit der Seife gelöst hatte, kam die Wäschekammer dran, ein wahres Minenfeld für Stilbrüche und Regelwidrigkeiten. Die wichtigsten Gäste mußten auf kratzigen Baumwollaken schlafen, während das feinste Leinen ungenutzt im hinteren Teil der großen Schränke liegenblieb.
    Die Schwierigkeit bestand darin, wie sich Thomasine heimlich eingestand, daß sie einfach nicht mit dem Herzen dabei war. Sie sah nicht ein, warum nicht alle die gleiche Seife, die gleichen Kerzen und Laken benutzen sollten, doch als sie dies der Haushälterin vortrug, schlug ihr blanke Entrüstung entgegen. Genausowenig sah sie ein, warum sie zu dritt jeden Tag vier lange, umständliche Mahlzeiten einnehmen sollten. Thomasine konnte während ihrer Schwangerschaft ohnehin nicht groß frühstücken, Lady Blythe hatte nie großen Appetit, und Nicholas haßte das festgelegte Zeremoniell des Nachmittagstees. Doch wenn

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