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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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werden lassen. Jedenfalls trank er schlecht, ließ ständig die Brustwarze aus dem Mund gleiten, um lauthals seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen, und rülpste und erbrach die getrunkene Milch, als er ihr schließlich von der Brust genommen wurde.
    Die Vorbereitungen für Williams Taufe glichen der Planung einer Schlacht. Lady Blythe hielt sich großmütig im Hintergrund und versprach, sich nicht einzumischen, so daß alle Arrangements Thomasine überlassen blieben. Nicholas war noch immer ganz von den Installationsarbeiten in Anspruch genommen. Bei der Einrichtung des Faulbehälters hatten sich Schwierigkeiten ergeben, denn der Ort, den er ursprünglich dafür vorgesehen hatte, erwies sich als ein Sumpf, der nur ein paar Meter unter dem Boden lag. Rohre mußten neu verlegt, frische Gräben mußten gezogen werden.
    Thomasine machte Listen und zeichnete Sitzordnungen. Beim Dinner durften verheiratete Paare nicht nebeneinander sitzen, abwechselnd mußte jeweils eine Dame auf einen Herrn folgen, und zu jeder Mahlzeit mußten die Gäste andere Tischpartner bekommen. Es glich höherer Mathematik, fand Thomasine. Eines Tages saß sie, umgeben von Papieren, Stiften und Zeitplänen am Speisezimmertisch und schnitt kleine Kärtchen aus, die sie mit den Namen der Gäste beschriftete. Es dauerte fast den ganzen Nachmittag, die Karten in verschiedenen Reihenfolgen anzuordnen und die Tischordnung für den Abend zu planen. Aber dann, als sie um sechs Uhr abends stolz und ermattet dachte, sie sei fertig, erschien Lady Blythe und warf auf dem Weg in ihre Gemächer, wo sie sich zum Abendessen umkleiden wollte, einen kurzen Blick auf die Tischordnung. »O Gott, du hast die Rangunterschiede nicht beachtet – das geht nun wirklich nicht, Thomasine.« Max Feltham war der Neffe eines Earls, Marjories Ehemann Edward ein Honourable. Diese Dinge zählten offensichtlich. Thomasine biß die Zähne zusammen und begann von neuem, die Tischkarten zu ordnen.
    Eigentlich hatte sie vorgehabt, für das formelle Frühstück im Anschluß an die Taufe die alten Speisekarten im Sekretär des Damenzimmers noch einmal durchzusehen. Aber sie waren nirgendwo zu finden. Lady Blythe gab sich ahnungslos, und Thomasine konnte sich nur beunruhigt fragen, ob sie sie während der letzten Wochen ihrer Schwangerschaft, in denen sie sehr vergeßlich war, verlegt hatte. In letzter Zeit war vieles oft nicht an dem Platz, wo es ihrer Meinung nach sein sollte, und manchmal erinnerte sie sich nicht an die Zettel, die ihre Schwiegermutter ihr angeblich gegeben hatte. Als sie Lady Blythe um Rat wegen des Frühstücks bat, wurde ihr erklärt, sie solle sich keine Sorgen machen, Mrs. Blatch habe für die Taufen von Marjorie, Gerald, Nicholas und Lally gekocht und wisse schon, was zu tun sei. Thomasine schob das Problem beiseite und konzentrierte sich auf das nächste: die Vorbereitung und Verteilung der Schlafzimmer.
    Die Schwierigkeiten begannen am Tag vor der Taufe, sobald der erste Gast eingetroffen war. Die Probleme mit dem Faulbehälter hatten den Abschluß der Installationsarbeiten verzögert, und Nicholas wirkte genervt, als er den Gast begrüßte. Eines der Dienstmädchen stolperte über einen Haufen Rohre und verstauchte sich den Knöchel, und bei den neuen Spülklosetts funktionierte die Spülung nicht. Außerdem stimmte die Verteilung der Schlafzimmer nicht. Nahe Verwandte waren in entgegengesetzten Teilen des Hauses untergebracht, inkontinente Großtanten befanden sich zu weit vom nächsten Badezimmer entfernt. Max’ Onkel, der Earl, hatte ein schäbiges Schlafzimmer mit Baumwoll- statt Leinenbezügen und – entsetzlicherweise – ein Stück von der scheußlichen braunen Salzseife.
    Lady Blythe sprang in die Bresche, beseitigte alle Widrigkeiten und verteilte mit ruhiger Effizienz die Gästezimmer neu. Als Thomasine sich im Spiegel ansah, bevor sie hinauseilte, um eine weitere Wagenladung voller Gäste zu begrüßen, sah sie eine bleiche junge Frau mit ungekämmtem Haar, deren pistaziengrünes Kleid mit Baustaub beschmutzt war.
    Der erste Abend verlief ohne weitere Pannen, auch die Taufe selbst ging glatt über die Bühne. Im Innern der Kirche übergab Nanny Harper William an Thomasine. Er war das perfekte Baby, da er die ganze Zeremonie verschlief. Sie war sehr stolz, als sie ihren Sohn in den Armen hielt. Den

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