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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Blattläuse …«
    Â»Dann spannen wir Netze darüber und sprühen sie mit Insektengift ein«, sagte Thomasine entschieden. Sie bestieg ihr Pferd. »Denken Sie darüber nach, Joe. Ich werde in die Gärtnerei nach Soham rüberfahren und mir ein paar Sträucher ansehen. Sie können ja mitkommen, wenn Sie wollen.«
    Sie ritt zum Haus zurück. Es mußte fast Zeit für Williams Bad sein, die Stunde, die ihr am liebsten von allen war. Mit einem Gefühl der Zufriedenheit öffnete sie das Tor zur Koppel und ritt den Hang der Insel hinauf. Ihre Arbeit machte ihr Spaß, sie hatte einen wundervollen kleinen Sohn, sie hatte Essen, Kleider, ein Zuhause. Sie hatte alles.
    Und dennoch wußte sie, daß sie sich etwas vormachte. Sie wußte, daß im Zentrum ihres Lebens eine große Leere herrschte, ein Vakuum. Wenn sie zu genau hinsah, starrten ihr Zweifel und Versagen entgegen. Sie hatte gedacht, sie könnte ohne Leidenschaft leben, mußte sich aber eingestehen, daß sie es nicht konnte. Des Nachts erinnerten sie ihre Träume an das, was sie verloren, vielleicht nie wirklich besessen hatte. Die Nächte brachten Bilder der Vergangenheit hervor, die sie mit heißem, schmerzendem Körper, aber leeren Armen erwachen ließen. Sie träumte von Clive – lebhafte, leidenschaftliche Träume, die sie an seine Zärtlichkeiten erinnerten, jedoch nicht an seine Treulosigkeit. Einmal träumte sie von Daniel Gillory: Sie standen im Schatten des Wäldchens, ihre Hand berührte sein Gesicht, seine Lippen liebkosten das ihre. Sie waren nackt, ihre Körper so weiß wie die Marmorstatuen in dem ummauerten Garten. Als sie aufwachte, schämte sie sich, aber dennoch hielt die körperliche Begierde an, ungeachtet der Scham.
    Als das Fieber nachließ, kehrte Lally zur Erholung nach Drakesden zurück. Anfänglich war es eine Erleichterung, in der vertrauten Umgebung zu sein, regelmäßig Brei oder Suppe serviert zu bekommen und einfach still und ruhig daliegen zu können. Sie zwang sich, die scheußliche Medizin zu schlucken, die der Arzt ihr verschrieb, und die Ruhe einzuhalten, die er ihr verordnete. Dr. Lawrence tadelte sie wegen ihrer Diäten und empfahl eine Durchleuchtung, die Lally ablehnte.
    Ende Mai, zu Williams Geburtstag, stand sie zum erstenmal auf. Der Tisch war auf der Terrasse vor dem Wintergarten gedeckt. Kurze Zeit drehte sich alles um Lally, man gab ihr einen Weidenstuhl und legte ihr einen Schal um die Schultern. Dann konzentrierte sich die gesamte Aufmerksamkeit wieder auf William in seinem hohen Kindersitz, der beim Anblick seines Geburtstagskuchens vor Freude in die Hände klatschte.
    Lallys Blick wanderte von ihrer Mutter zu ihrem Bruder und dann zu Thomasine. Thomasine saß zwischen William und Nicholas, fütterte das Kind mit kleinen Zuckergußstückchen und hob seinen Löffel auf, wenn es ihn auf die Pflastersteine warf. Wie glücklich sie aussieht, dachte Lally. Thomasine hatte alles – einen Ehemann, ein Baby, ein Heim. Einst hatte Nicholas sie, Lally, gebraucht, aber das war lange her, vor Paris. Ich habe nichts, dachte Lally bitter. Nichts.
    Da ihr der Arzt verbot, nach London zurückzukehren, und sie kein Geld hatte, um ins Ausland zu fahren, blieb ihr keine andere Wahl, als in Drakesden zu bleiben. Aber Drakesden langweilte sie, wie immer, und sie begann, wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen: morgens immer später aufzustehen, abends immer später ins Bett zu gehen und ziellos durch Haus und Garten zu wandern. Sie gewöhnte sich an, Nicholas’ Delage auszuleihen und in der Gegend herumzufahren. Manchmal fuhr Nicholas mit, was schön war, fast wie in alten Zeiten. Bei anderen Gelegenheiten machte sie sich allein auf den Weg, hielt manchmal auf einen Drink in einem Pub an und genoß die pikierten Blicke der Einheimischen.
    Als sie eines Morgens ums Dorf fuhr, kam sie plötzlich ans Ende einer Sackgasse. Drei kleine Häuser säumten den Weg. Weil sie keine Möglichkeit sah umzukehren, fuhr sie noch ein Stückchen weiter und hielt Ausschau nach einer Ackereinfahrt oder einem Feldweg. Das Auto ruckte und rumpelte und blieb plötzlich stehen, als der Motor abstarb.Ärgerlich betätigte Lally den Anlasser und stemmte den Fuß aufs Gaspedal, als der Wagen nicht gleich ansprang. Der Motor heulte auf, die Reifen drehten durch und schleuderten Erdklumpen hoch. Lally stieg

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