Die geheimen Jahre

vergeblich versuchte, sein Feuerzeug zu entzünden. Sie dachte: Er haßt ihn. Nicholas haßt Daniel. Dann stellte sie sich vor, wie Daniel Gillory mit dieser auffälligen, dunkelhaarigen Frau schlief. Ihr Mund wurde trocken, und ihr Herz begann, ein bißchen schneller zu schlagen.
    Â»Laß mich mal«, sagte Lally, nahm das Feuerzeug aus seiner Hand, und es flammte sofort auf.
    Gelangweilt rauchten sie nach dem Mittagessen im Wintergarten und besprachen, wie sie den Nachmittag verbringen sollten.
    Â»Wir könnten das Boot herausholen«, sagte Nicholas.
    Â»Langweilig« , antwortete Boy gähnend.
    Nicholas schaffte es, seine Freunde zu überreden, im Sommer einmal pro Monat nach Drakesden zu kommen. Doch er war sich immer sehr unangenehm bewußt, wie wenig Unterhaltung Drakesden zu bieten hatte.
    Â»Du solltest mit uns an die Riviera kommen, Nicky«, sagte Ettie, Nicholas’ Gedanken aussprechend. »Da ist einfach viel mehr los.«
    Â»Thomasine möchte William nicht allein lassen«, antwortete Nicholas und zündete eine Zigarette an.
    Â»Der Süße«, sagte Ettie. Sie hatte ihren dritten Gin fast geleert und war schon ein bißchen beschwipst. »Aber seine Nanny …?«
    Nicholas schüttelte den Kopf. Thomasine warf ein: »Auch wegen des Guts. Um diese Jahreszeit sind wir alle sehr eingespannt.«
    Â»Schrecklich emanzipiert«, seufzte Belle.
    Boy grinste, und Nicholas spürte, wie er rot wurde. Obwohl er froh war, einen Teil der lästigen Pflichten los zu sein, wurde ihm zunehmend die Absonderlichkeit seiner Lage bewußt. Thomasine erledigte Männerarbeit. Nur gelegentlich gestand er sich ein, daß ihn Thomasines unkonventionelle Art, die ihm früher so gefallen hatte, inzwischen manchmal störte.
    Schweigen trat ein, bis Belle fragte: »Sollen wir einen Spaziergang machen? Ein wenig Proviant für ein Picknick mitnehmen? Oder vielleicht ein kleines Tennisturnier veranstalten?«
    Sie schlenderten in den Garten hinaus. Der Nachmittag verging nur langsam, aber Nicholas redete sich ein, daß er sich vergnügte. Sie spielten ein Doppel, und Nicholas und Lavender Monkfield schlugen Belle und Maurice Douglas. Lally spielte nicht, weil sie immer noch schnell ermüdete, und Boy spielte nicht, weil er Sport einfach haßte. Thomasine kehrte plötzlich ins Haus zurück und murmelte dabei etwas von Briefen, die sie schreiben müsse. Ihr Weggehen ärgerte Nicholas, obwohl er nicht genau hätte sagen können, warum.
    Nach dem Tennis machten sie ein Picknick, tranken noch mehr Gin und wanderten über die Koppel zum Deich hinunter. Aus dem ziemlich beschwipsten Torkeln am Deichrand entlang wurde plötzlich das Kinderspiel, bei dem alle nachmachen müssen, was der Anführer vorgibt. Sie hätten es erst eine Woche zuvor bei Harrods gespielt, erklärte Ettie. Ein Heidenspaß. Vom Deich kamen sie zum Weg hinauf, der ins Dorf führte. Im Lebensmittelladen leerte Boy, der den Anführer spielte, eine Tüte Waffelbruch auf den Boden, also mußten es ihm alle gleichtun, und der Boden war bald mit Krümeln, Rosinen und Zuckerglasur übersät. Mrs. Carter, die Besitzerin des Ladens, sagte natürlich nichts, sondern stand einfach nur da und sah zu. Obwohl die anderen nichts davon bemerkten, entging Nicholas ihre Miene nicht. Und hier, in dem schäbigen kleinen Laden, befiel ihn wieder das entsetzliche Gefühl der Leere, das seine Hochstimmung von einem Moment zum anderen in Verzweiflung umschlagen ließ. Hätte er ein Messer gehabt, hätte er es sich in die Pulsadern gestoßen und ein für allemal Schluß gemacht, wie er es schon so oft vorgehabt hatte. Doch statt dessen verfluchte er sich für seine Feigheit, folgte den anderen aus dem Laden hinaus und über die Wiese in das Wäldchen. Keiner von ihnen bemerkte, wie er sich fühlte. Wieder im Haus, sehnte er sich nach Thomasine: Er wollte seinen Kopf an ihre Brust legen, sie sollte die Arme um ihn schlingen und ihm Sicherheit geben. Aber sie war nirgendwo zu finden, und seine Mutter sprang in die Bresche, unterhielt seine Gäste, kümmerte sich ums Abendessen und betrieb die Konversation.
    Ein paar Tage später, als Thomasine mit Joe Carter aus Soham zurückfuhr und an nichts anderes als an Obst- und Beerensträucher dachte, entdeckte sie in der Ferne eine kleine Gestalt, die sich vor dem Horizont abzeichnete.
    Â»Sehen