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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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aus. Der linke Vorderreifen steckte in einer tiefen Furche, und als Lally den Wagen an der Kühlerhaube anzuschieben versuchte, bewegte er sich keinen Zentimeter. Sie sah sich um und fragte sich, in welchem der ärmlichen Häuser sie um Hilfe bitten sollte. Dann sah sie die Männer, die auf dem Feld arbeiteten.
    Zwei Männer. Der eine mit braunem Haar, kräftig, mit rotem Gesicht, der andere mittelgroß, schlank, das goldblonde Haar von der Sonne gebleicht. Lally starrte ihn einen Moment lang an. Daniel Gillory, dachte sie mit einem köstlichen Schauder der Erinnerung. Plötzlich war sie wieder in dem Geräteschuppen auf Drakesden, Regen trommelte aufs Dach, und Donner grollte. Sie küßte Daniel Gillory. Angeblich behielt man den ersten Kuß sein ganzes Leben lang in Erinnerung.
    Die beiden Männer arbeiteten mit Hacken und Rechen. Lally, mit einem seidenen Schal um den Kopf, die Augen hinter dunklen Brillengläsern verborgen, ging über das Feld auf sie zu.
    Â»Hallo, Daniel.«
    Beide Männer sahen auf. Sie stellte fest, daß Daniel sie nicht erkannte.
    Â»Lally Blythe«, sagte sie, um ihm auf die Sprünge zu helfen. »Erinnerst du dich nicht?«
    Ein Anflug von Entsetzen glitt über sein Gesicht. Es war schwül und heiß, sein zerschlissenes Hemd war halb aufgeknöpft, die Ärmel hochgekrempelt. Im Schutz ihrer dunklen Gläser betrachtete Lally seine straffe goldene Haut, die festen Muskeln seines Körpers.
    Â»Oh, ich erinnere mich, Miss Blythe.«
    Â»Gut. Die Sache ist die, daß mein Wagen steckengeblieben ist. Könntest du mir vielleicht helfen, ihn wieder freizubekommen?«
    Der andere Mann grinste sie unverblümt an. Lally lächelte zurück. Ihr Kleid war sehr kurz, reichte kaum bis zum Knie, der Stoff war durchscheinend.
    Einen Moment lang sagte Daniel nichts. Dann warf er die Hacke weg und ging übers Feld auf den Delage zu. Lally und der andere Mann folgten ihm.
    Im Handumdrehen hatten sie den Wagen aus der Furche geschoben. Lally wäre es lieber gewesen, wenn sie länger gebraucht hätten. Es gefiel ihr, Daniel zuzuschauen: Stärke und elementare Kraft, wie sie manche Männer besaßen, hatten sie schon immer angezogen. Daniel Gillory war so völlig anders als Hugo, Pip oder Marcel …
    Als sie den Wagen auf ebeneren Grund geschoben hatten, schickte Daniel sich an, wieder fortzugehen. Lally berührte seinen Arm und hielt ihn auf.
    Â»Ich habe Angst, daß er wieder steckenbleibt. Würdest du …?« Sie hielt die Autoschlüssel hoch.
    Wieder sagte er nichts. Sie beobachtete, wie er einstieg und den Motor anließ. Sie war davon ausgegangen, daß er fahren konnte, gut fahren konnte. Mit drei eleganten Schwüngen kehrte er den Wagen um, so daß die Kühlerhaube wieder nach Drakesden zeigte.
    Â»Sehr freundlich von dir«, sagte Lally. »Du warst schon immer so überaus geschickt, Daniel.«
    Am folgenden Sonntag hielt Lally in der Kirche nach Daniel Ausschau, konnte ihn aber nirgends entdecken. Als sie nach dem Gottesdienst ins Sonnenlicht hinausschlenderte und sicher war, daß sich ihre Mutter außer Hörweite befand, flüsterte sie Nicholas zu: »Gehen die Gillorys nicht in die Kirche?«
    Nicholas erwiderte erstaunt: »Daniel Gillory nicht … seine Frau schon, glaube ich.«
    Â»Seine Frau ? Er ist verheiratet ?«
    Â»Er hat irgendein Flittchen aus London geheiratet. Das ist sie.« Nicholas machte mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung einer jungen Frau, die gerade die Kirche verließ.
    Lally sah sich Daniels Frau eingehend an. Sie trug ein rosafarbenes Chiffonkleid, einen enganliegenden weißen Hut und Handschuhe. Das Kleid war von der Stange und sah billig aus. Mrs. Gillory war zierlich, hatte dunkles Haar und helle Haut.
    Â»Sie ist hübsch«, fand Lally.
    Â»Meinst du wirklich? Ziemlich gewöhnlich, würde ich sagen. Nuttenhaft.«
    Lally beobachtete, wie Daniels Frau durchs Kirchhoftor und die Straße entlang in Richtung der ehemaligen Schmiede ging. In ihren unbequemen hochhackigen Schuhen knickte sie auf dem zerfurchtem Weg immer wieder um.
    Â»Es wird gemunkelt«, fuhr Nicholas fort und bot Lally sein Zigarettenetui an, »daß ihre Ehe auf der Kippe steht.«
    Â»O Nick .« Lally nahm eine Zigarette. »Du hast auf Tratsch gehört! Wie herrlich.«
    Er wurde rot. Sie bemerkte, wie seine Hand zitterte, als er

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