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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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aufzustehen, um mit ihm nach Cambridge zu fahren. Dort gab es Geschäfte, Restaurants und ein paar Freunde, die an die Universität zurückgegangen waren, um ihr im Krieg unterbrochenes Studium abzuschließen.
    Â»Boy wird es dir nicht zurückzahlen, Nick«, sagte Thomasine. »Er ist kein wirklicher Freund. Er bleibt so lange bei dir, wie du für seine Drinks und Zigaretten aufkommst, das ist alles.«
    Er konnte es nicht ertragen, wenn sie so sprach. Mit diesem verurteilenden Blick. Er flüsterte: »Ich brauche Gesellschaft .«
    Â»Das weiß ich, Nick.« Dann trat sie zu ihm und legte die Hand auf seinen Arm. Der Blick ihrer so hübschen blaugrünen Augen war weicher geworden. »Ich weiß, daß du das brauchst.«
    Wenn sie ihn so ansah, so mit ihm redete, wurde ihm wieder die Liebe bewußt, die er für sie empfand, eine Liebe, die nichts wirklich abtöten konnte. Er spürte eine neue Entschlossenheit in sich aufkeimen. Er würde alles regeln, besser mit Geld umgehen, ein Mann sein …
    Dann sagte Mama: »Was Sie nie ganz verstanden haben, Thomasine, ist, daß Leute wie wir – die Blythes von Drakesden Abbey – unseren Standesgenossen gegenüber Pflichten haben. Wir sind keine Bauern oder Buchhalter, und wir benehmen uns auch nicht so. Wir sind etwas Besseres.«
    Nicholas wußte, daß Mama wütend war. Sie zeigte ihre Mißbilligung auf zurückhaltende Art. Sie war viel zu sehr Dame, um mit dem Fuß aufzustampfen und zu schreien. Ihre Stimme wurde nur kalt und ihre Augen wie Stahl. Ihr Zorn machte Nicholas krank. Er wurde wieder der siebenjährige Junge, der in ihrem Schoß schluchzte, weil er nicht ins Internat zurückwollte. Beherrsch dich, Nicholas. Sei ein Mann . Es zählte nicht, daß Mamas Zorn sich eher gegen Thomasine als gegen ihn richtete, er hatte trotzdem Angst vor der unvermeidlichen Konfrontation.
    Thomasines Stimme war ebenfalls kalt. »Und was Sie begreifen müssen, Lady Blythe, ist, daß es schlichtweg kein Drakesden Abbey mehr geben wird, wenn Sie sich nicht ändern. Wir müssen sparen – Sie haben nicht mehr das Geld für ein Haus voller Dienerschaft, einen Stall voller Pferde, zwei Automobile …«
    Â»Du willst doch nicht vorschlagen, daß Nicky seinen Wagen verkaufen soll, Thomasine?«
    Nicholas sah Thomasine entsetzt an. Er brauchte den Wagen. Er gestattete ihm, aus dem diesem gottverdammten Kaff zu entkommen. Es war unvorstellbar, daß er den Wagen verkaufte.
    Â»Nein – natürlich nicht«, antwortete Thomasine, und Nicholas stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich schlage nur vor, daß wir mit ein paar Dienstboten weniger auskommen, daß wir ein oder zwei Pferde verkaufen – sie werden ohnehin nicht alle regelmäßig geritten.«
    Thomasine ergriff Nicholas’ Hand und strich ihm das Haar aus der schmerzenden Stirn. Ihre Berührung war kühl und lindernd.
    Â»Wir müssen nur ein bißchen sparen, Nick, das ist alles. Es wird schon nicht so schlimm.«
    Lady Blythe stieß ein helles Lachen aus. »Thomasine möchte, daß wir uns selbst bedienen, Nicky. Daß wir selbst die Böden schrubben und unsere Wäsche selbst waschen. Nun, du magst vielleicht an ein solches Leben gewöhnt sein, Thomasine, aber Nicholas und ich nicht!«
    Er wußte, daß Mama die Wahrheit sagte. Das wäre vielleicht für Thomasine denkbar, die zugegebenerweise von der Hand in den Mund gelebt hatte, aber die Vorstellung, in Schmutz zu leben, entsetzte ihn. Er brauchte ein sauberes Haus, saubere Kleider, die Art von geordnetem Alltag, die nur eine vielköpfige Dienerschar garantierte. Er könnte nicht leben wie die Leute im Dorf. Die Monate in den Schützengräben hatten ihm vorgeführt, wie sehr er die Ordnung und Sauberkeit brauchte, die zu seiner Art von Erziehung gehörte.
    Mama würde sich um alles kümmern, wie sie es immer getan hatte. Mama verstand, was er brauchte. Thomasine nicht, weil sie anders war. Einst hatte er sie wegen dieser Andersartigkeit bewundert, jetzt bedrohte sie ihn. Thomasine bat ihn, unmögliche Dinge zu tun: darüber zu sprechen, was im Krieg passiert war, die selbstauferlegten Regeln und Gebräuche aufzugeben, die ihn am Leben erhielten. Nicholas küßte seine Mutter auf die Wange, legte die Papierbündel in Thomasines Hände und ging hinaus, um Lally zu suchen.
    Als sie

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