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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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kann daran etwas ändern.«
    Unsicher antwortete der Pfarrer: »Wenn Daniel die Abschlußprüfung schafft, Euer Ladyschaft, besteht die Möglichkeit, daß er einen Platz im College bekommt.«
    Sie stand auf und ging zu den Fenstertüren. Die schweren Düfte des Gartens wehten ihr entgegen. Sie atmete sie mit halb geschlossenen Augen ein. Da trat ihr die unwillkommene Erinnerung wieder vor Augen, wie Lally unter Tränen behauptet hatte: »Daniel war bei mir. Daniel war die ganze Zeit bei mir.« Sie war gezwungen, Lally zu glauben. Sie drehte sich wieder zum Pfarrer um. Leise sagte sie: »Ich glaube nicht, daß Sie dem Gillory-Jungen weiterhin helfen sollten, Mr. Fanshawe.«
    Mr. Fanshawe erwiderte zögernd: »Wenn Daniel keine Uniform hat, Euer Ladyschaft, kann er nicht zur Schule gehen.«
    Â»Richtig«, antwortete Lady Blythe. »Ich freue mich, daß wir uns verstehen.«
    Er wurde rot. »Das kann ich nicht tun, Euer Ladyschaft. Daniel ist ein intelligenter Junge. Es wäre grausam.«
    Sie sah durchs Fenster auf den friedlichen Garten hinaus. »Gefällt es Ihnen hier, Herr Pfarrer?«
    Er nickte hilflos.
    Â»Und Mrs. Fanshawe? Ist sie glücklich in Drakesden?«
    Er sah verwirrt aus. »Die Ruhe auf dem Land tut ihren Nerven gut, sagt der Arzt.«
    Â»Natürlich. Mrs. Fanshawe würde nicht in die Stadt zurückziehen wollen.« Geduldig fügte sie hinzu: »Diese Pfründe werden von Drakesden Abbey vergeben. Verstehen Sie mich, Herr Pfarrer?«
    Seine blassen Augen wurden größer, und er flüsterte: »Aber was soll aus Daniel werden?«
    Â»Oh – er wird für seinen Vater arbeiten. Und ich schätze, wir finden irgendeine Beschäftigung auf Drakesden Abbey für ihn.« Lady Blythe merkte, daß sie lächelte, als sie ihren Sonnenschirm von dem Dienstmädchen des Pfarrers entgegennahm.
    Die unruhig verbrachte Nacht hatte Thomasines Ängste nicht zerstreuen können. Nach dem Frühstück stahl sie sich aus Quince Cottage und lief den Weg zur Schmiede hinunter. Doch Daniel war noch immer nicht nach Hause gekommen.
    Unruhig und gereizt fütterte sie die Hühner, spülte das Geschirr, staubte im Wohnzimmer ab und setzte sich an den Küchentisch, wo sie mit klarer geschwungener Schrift die Eintragungen ins Haushaltsbuch machte. Hinterschinken, 90 g; Waschsoda 400 g; Einmachzucker 60 g . Während sie schrieb, spulten immer und immer wieder die Ereignisse der vergangenen beiden Tage vor ihrem geistigen Auge ab. Das Pfänderspiel, Daniels Kuß, die Pracht von Drakesden Abbey. Ihr hastiger, demütigender Abstieg von der geliehenen Stute, während Lady Blythe sie mit eiskalten Augen beobachtete. Das Gerücht, das sich in Drakedens schlammigen Straßen wie ein Lauffeuer verbreitete, daß sich England jetzt im Krieg befand.
    Es klopfte, Thomasines Hand rutschte aus, so daß ein schwarzer Tintenfleck auf dem weißen Papier entstand. Rose rief: »Hilda, meine Liebe, komm schnell. Es ist Lady Blythe!«
    Jemand öffnete die Tür, und die Besucherin wurde hereingeführt. Thomasine legte die Feder weg und ordnete schnell ihr Haar. Ihr Herz hämmerte, als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
    Tante Rose sah bedrückt aus, Tante Hilda wütend. Hilda sagte: »Thomasine, meine Liebe, da scheint es ein Mißverständnis zu geben. Lady Blythe ist der Meinung, daß du den gestrigen Nachmittag auf Drakesden Abbey verbracht hast.«
    Sie hatte nicht gelogen, aber Thomasine wußte, daß sie sich auch nicht an Tante Hildas untadelige Maßstäbe von Ehrbarkeit und Anstand gehalten hatte. Mühsam rang sie sich die Antwort ab.
    Â»Ja, das stimmt, Tante Hilly.« Der Anflug von Schock in Tante Hildas Augen schmerzte sie.
    Rose fragte flüsternd: »Allein, Thomasine, Liebes?«
    Â»Mit Nicholas. Mit Mr. Blythe, meine ich.«
    Hilda fragte vorsichtig: »Daniel …?« Thomasine schüttelte den Kopf.
    Â»Daniel ist nicht gekommen. Ich weiß nicht, wo er ist.«
    Schließlich ergriff Lady Blythe das Wort. »Sehen Sie, Miss Harker?«
    Â»Ich sehe«, antwortete Hilda ärgerlich, »daß es irgendein kindischer Blödsinn war. Ich sehe, Lady Blythe, daß sich Ihr Sohn schlecht benommen hat.«
    Einen Moment lang funkelten Hildas Augen genauso zornig wie die von Lady Blythe. Dann kehrte der eisige Blick zurück, und sie sagte:

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