Die geheimen Jahre
wusch, wuÃte Gwendoline Blythe, daà niemand erfahren durfte, was geschehen war â nicht einmal Sir William. Sie verspürte körperlichen Abscheu, wenn sie an den Vorfall dachte. Die ganze Angelegenheit war widerlich und peinlich.
Endlich fielen Lally die Augen zu, und ihr Zittern lieà nach. In ihrem eigenen Schlafzimmer lieà sich Lady Blythe von ihrer Zofe in einen Sessel betten. Sie schaute zu, wie Jardine den Rest ihrer Koffer auspackte, und fand es beruhigend, sich auf diese alltäglichen Beschäftigungen zu konzentrieren: wie ihre Kleider zusammengefaltet, zwischen die seidigen Lagen Lavendelsäckchen geschoben und die Schmuckschatullen auf dem Toilettentisch ausgelegt wurden. Als die Zofe fertig war, sagte Lady Blythe: »Bitte Hawkins, den Safe für dich öffnen, Jardine, damit du meinen Schmuck einschlieÃen kannst.«
Erst als die Zofe fort war, erlaubte sich Gwendoline Blythe, ihrem Kummer freien Lauf zu lassen. Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, setzte das Zittern ein, das sie so mühsam unterdrückt hatte. Es donnerte, und Regen schlug gegen die Fensterscheiben, aber dennoch konnte Lady Blythe das Klappern ihrer Zähne hören. Sie hatte das Gefühl, als wären sie alle geschändet worden. Als hätte der entsetzliche Junge mit den schmutzigen Kleidern und dem verfilzten Haar nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihr Heim miÃbraucht. Als würde das schmutzige stinkende Wasser der Fens an die Ufer der Insel schwappen.
Sie würde die Haushälterin ins Gebet nehmen und erneut mit der mühseligen Arbeit beginnen, eine passende Gouvernante für Lally zu finden. Oder vielleicht eine Schule â sie hatte Schulen für Mädchen nie wirklich gut gefunden, aber jetzt boten sie eine mögliche Lösung. Und Nicholas durfte nicht aus den Augen gelassen werden. Ferien am Meer wären keine schlechte Idee. Was den Jungen anbelangte â¦
Es klopfte, und Jardine kam mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht wieder herein.
»Mr. Hawkins schickt mich, Euer Ladyschaft. Er bittet Sie, in Sir Williams Arbeitszimmer zu kommen. Es geht um den Safe, Euer Ladyschaft. Er war nicht verschlossen.«
An diesem Abend suchte Thomasine nach Daniel. Er war nicht in der Schmiede, er wartete nicht auf dem Deich auf sie, und er war auch nicht auf der Wiese. Mrs. Gillory, die in ihrem Garten Bohnen pflückte, schüttelte den Kopf, als Thomasine nach ihrem ältesten Sohn fragte. Es habe einen kleinen Zwist gegeben, erklärte sie. Mrs. Gillorys Gesicht war schmal und bleich, und eines ihrer Augen war von einem Veilchen umrahmt.
Beunruhigt machte sich Thomasine auf einen letzten Rundgang durchs Dorf. Es regnete immer noch, und der Himmel hing voller dicker grauer Wolken. Sie wurde den Verdacht nicht los, daà an diesem Tag etwas Schreckliches passiert war: Unausgesprochen war es in den kleinen Rinnsalen zu spüren, die den Weg hinabrannen, und im Ausdruck von Nicholas Blythes Augen, als er sie, offensichtlich zum letzten Mal, zu den Toren von Drakesden Abbey begleitete.
Am nächsten Morgen besuchte Lady Blythe den Pfarrer. Mr. Fanshawes Dienstmädchen führte sie in den Salon des Pfarrhauses.
»Welch unerwartete Freude, Euer Ladyschaft«, flötete der Pfarrer. »Wieviel kühler es nach dem Gewitter ist â¦Â«
»Ich muà dringend mit Ihnen über den Gillory-Jungen sprechen«, sagte Lady Blythe schnell. Sie hatte noch andere Besuche zu machen und wollte keine Zeit mit Platitüden verlieren.
»Daniel?« fragte der Pfarrer verständnislos.
»Ja. Daniel. Ich glaube, Sie haben ihm geholfen, einen Platz am Gymnasium von Ely zu bekommen.«
»Daniel hat es selbst geschafft, sich einen kostenfreien Platz zu sichern, Euer Ladyschaft. Er hat an dem Wettbewerb für ein Stipendium teilgenommen. Ich habe ihn mit einer Uniform, Büchern und Stiften ausgestattet. Die Familie ist nicht sehr wohlhabend.«
Lady Blythe schwieg einen Moment. Durch die offenen Fenstertüren des Salons konnte sie die Reihen von Dahlien, Lilien und Löwenmäulern sehen, auf denen immer noch Regentropfen glänzten.
»Ist es nicht eine ziemliche Verschwendung, Herr Pfarrer, einem Jungen wie ihm eine Erziehung zukommen zu lassen? Sie hebt ihn nur von seinen Kameraden ab und bringt ihn auf unpassende Gedanken. Und wenn er die Schule beendet hat â was bleibt ihm dann? Er wird Schmied wie sein Vater. Nichts
Weitere Kostenlose Bücher