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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ihr der Gedanke, daß sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde. Mit einer spontanen Geste der Zuneigung schlang sie die Arme um ihn.
    Â»Paß auf dich auf, Daniel. Mach etwas aus dir. Ich möchte deinen Namen in allen Zeitungen lesen. Ich möchte deinen Namen auf einem Buchumschlag sehen.« Während sie ihn umarmte, hörte sie das Geräusch eines Wagens, der hinter ihr um die Kurve kam.
    Â»Papa« , sagte William.
    Â»Zum Teufel«, sagte Daniel und ließ sie los.
    Einen Augenblick lang gab sie sich der Hoffnung hin, daß Nicholas die Umarmung nicht gesehen hatte. Diese Hoffnung erstarb fast sofort. Der Delage kam schlitternd zum Stehen, Nicholas sprang über die Fahrertür und lief mit geballten Fäusten auf sie zu.
    Â»Du Schwein …«, war alles, was er sagte, bevor er gegen Daniel ausholte.
    Thomasine lief an Williams Seite. Daniel war Nicholas’ erstem Schlag ausgewichen und versuchte jetzt, die weiteren Faustschläge abzuwehren.
    Â»Um Himmels willen, Blythe …«
    Sie hörte sich rufen: »Hör auf, Nicholas! Ich hab mich von Daniel verabschiedet, das ist alles …« Nicholas drehte sich weiß vor Zorn zu ihr um.
    Â»Ich hab dir gesagt, daß du nicht mit ihm sprechen sollst, Thomasine. Ich hab’s dir verboten!« Dann warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf Daniel, so daß sie gemeinsam zu Boden fielen.
    Einen Moment lang sah sie zu und spürte einen Zorn in sich, der Nicholas’ Wut in nichts nachstand. Sie balgten sich auf dem Boden wie Schuljungen. Nicholas schlug Daniel die Faust ins Gesicht, Daniel wand sich und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Sie wußte, daß Daniel der Unterlegene wäre, weil er während der letzten Monate den Willen zur Gegenwehr verloren hatte. Sie drückte das Gesicht in Williams dunkle Locken, um die Geräusche nicht hören zu müssen.
    Schließlich ließen sie voneinander ab. Sie hörte Schritte, eine Hand packte sie am Ellbogen und zerrte sie über den Weg zum Auto. Nicholas öffnete die Tür. Sie wurde auf den Beifahrersitz gestoßen. Als sie zurückblickte, sah sie Daniel, der sich unsicher vom Boden hochrappelte. Dann sprang der Motor an, und Nicholas drückte den Fuß aufs Gaspedal.
    Er fuhr in Richtung Dorf, und der Wagen wurde bei jeder wütenden Drehung des Lenkrads schneller. Häuser und Menschen flogen vorbei, Farben verschwammen ineinander. Thomasine hielt William fest an sich gedrückt. Nicholas’ Handknöchel waren weiß, er würdigte sie keines Blickes. Sie rief: »Nicholas – fahr langsamer – um Himmels willen …«, aber er schien sie nicht zu hören. Sie zog ihn am Ärmel, versuchte seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber er schüttelte ihre Hand ab und trat das Gaspedal bis zum Boden durch.
    Er fuhr zu schnell, um die Einfahrt von Drakesden Abbey zu erwischen. Die Räder verloren den Halt, der Wagen geriet ins Schleudern, und sie sah ein wirbelndes Spektrum von Farben vor ihren Augen. Kurz bevor der Delage gegen den Baum prallte, wurde die Fahrertür aufgesprengt, und Thomasine und William wurden aufs Gras geschleudert.

15
    IRGENDWIE HATTE SIE es geschafft, ihn festzuhalten. Sie lag auf dem Gras mit William im Arm. Er blieb ganz still, wie eine Stoffpuppe. Sie hörte sich seinen Namen rufen, ein schrecklicher, gellender Schrei, der das Dröhnen des Motors übertönte. Und dann öffnete er die Augen, bewegte sich, und sie begann zu zittern.
    Es gelang ihr, auf die Knie zu kommen, William fest an sich gepreßt. Sie rang nach Luft, während er zu weinen begann.
    Â»Laß mich dich anschauen, Liebling«, flüsterte sie und strich mit den Händen über seine Glieder, seine Finger, seine Zehen, sein rotes, tränenüberströmtes Gesicht. Er hatte eine große Schürfwunde am Ellbogen und eine Beule am Kopf, aber das war alles. Sie hörte ein Geräusch aus dem Wagen. Sie hatte Nicholas vergessen. In dem Moment kümmerte es sie nicht, ob er lebte oder tot war.
    Als der Motor des Delage endlich abstarb, murmelte Nicholas: »Thomasine?«
    Sie rappelte sich mit William im Arm hoch und ging zu ihm hinüber. Er stieg aus dem Wagen, legte die Hände auf die verbeulte Fahrertür und starrte sie an. »Dir ist nichts passiert«, sagte er. »Gott sei Dank. Thomasine – es tut mir so leid …«
    Sie konnte nicht mit ihm sprechen. Sie

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