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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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fürchtete …«, aber Lady Blythe unterbrach sie.
    Â»Ich sage es noch einmal, du bist nicht geeignet, ein Kind zu erziehen. Jedes Gericht im Land würde mir darin zustimmen. Ich habe bereits Anwälte konsultiert, Thomasine.«
    In ihrer Brust schien sich ein Eisklumpen zu bilden. Lady Blythe war zu der Vase mit Lilien auf dem Piano getreten und rückte die blassen, zarten Blüten zurecht.
    Â»Ich bin in Kontakt mit einer jungen Frau namens Alice Johnson getreten. Offensichtlich wart ihr beide befreundet?«
    Thomasine starrte sie an. Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf, ein Verdacht, über den sie kaum genauer nachzudenken wagte. »Alice und ich besuchten die gleiche Tanzschule«, stieß sie hervor.
    Â»Richtig. Und sie ging 1919 mit dir nach Paris.«
    Die Angst verstärkte sich. Der Eisklumpen in ihrer Brust schien gegen ihre Rippen drücken. Lady Blythe rückte einen Lilienstengel zurecht.
    Â»Miss Johnson hat mir gesagt, du hättest in Paris eine … Liaison mit einem Schauspieler gehabt. Und du hättest von dieser Person ein Kind bekommen. Ich weiß allerdings nicht, was aus dem Kind geworden ist.«
    Das Gesicht der älteren Frau war von einem rosigen Hauch überzogen. Der Triumph ließ sie erröten, dachte Thomasine. Ihre Knie zitterten. Sie mußte sich an die Tischkante lehnen, um das Gleichgewicht zu halten.
    Â»Du schweigst. Obwohl du sonst soviel vorzubringen hast. Dann streitest du es also nicht ab?«
    Mit entsetzlicher Klarheit traten ihr die letzten furchtbaren Wochen in Paris wieder vor Augen. Wie Clive sie verlassen hatte, Nicholas’ Antrag. Sie wußte, daß ihr Schweigen einem Schuldbekenntnis gleichkam.
    Â»Und das Kind? Der Bastard deines Liebhabers? Miss Johnson behauptet, du hättest es abgelehnt, ihn abtreiben zu lassen. Hast du dich anders entschieden?«
    Schließlich schaffte sie es zu antworten. »Nein. Ich habe mich nicht anders entschieden.«
    Â»Also warst du schwanger, als du meinen Sohn geheiratet hast?«
    Â»Ja.« Sie starrte aus dem Fenster auf den trüben, grauen Himmel hinaus und erinnerte sich an den ungewöhnlich strahlenden Tag, als sie und Nicholas durch die französische Landschaft fuhren. Wie unwirklich ihr alles erschienen war. Die Sonnenblumen, die am Straßenrand blühten, die staubige Hitze.
    Â»Ich hatte eine Fehlgeburt. Ganz plötzlich, ohne mein Zutun. Nicholas wußte nichts davon. Ich sagte ihm, ich hätte unverhofft meine Periode bekommen.«
    Und Nicholas, der sich mit Frauen nicht auskannte, hatte ihr geglaubt, sich mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung abgewandt und sich von seinen Pflichten als Ehemann für ein paar weitere Nächte entschuldigt.
    Â»Also hast du vorgehabt, Nicholas das Kind eines anderes Mannes unterzuschieben?«
    Plötzlich erinnerte Lady Blythe Thomasine an Lally. Nie zuvor war ihr die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter aufgefallen, aber nun wurde sie im katzenhaften Zusammenziehen von Gwendoline Blythes kalten und neugierigen Augen sichtbar.
    Â»Ja«, antwortete Thomasine schlicht. »Aber ich glaubte, Nicholas zu lieben.« Sie war nicht sicher, ob Lady Blythe ihre Worte überhaupt gehört hatte. Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr.
    Â»Du verstehst«, fuhr Lady Blythe fort, »daß das alles ändert?«
    Die Ähnlichkeit mit Lally war verschwunden, Lady Blythe war wieder ganz die alte – erhaben, siegreich, einschüchternd.
    Thomasine flüsterte: »Was meinen Sie damit?«
    Â»Du siehst doch ein, daß jemandem wie dir kein Gericht im Land das Sorgerecht für ein Kind zusprechen würde?«
    Sie begann zu verstehen, warum Lady Blythe gekommen war.
    Â»Nein …«
    Â»Ich kann meinen Enkel nicht in deiner Obhut lassen.«
    Thomasines sah schnell von dem Kind an ihrer Seite auf den Wagen hinaus, der immer noch am Straßenrand parkte.
    Â»Nichts davon überrascht mich«, fuhr Lady Blythe fort. »Du hast meinen Sohn nie verdient. Du hast nur meine Meinung über dich bestätigt. William wird nach Drakesden zurückkehren.«
    Urteil und Strafe wurden in kurzen knappen Sätzen ausgesprochen.
    Thomasine rief aus: »Ich habe einen Fehler gemacht! Ich war dumm – unschuldig! Ich weiß, daß es falsch war, Nicholas zu täuschen, aber ich war verzweifelt. Und ich wußte, daß er mich liebt – ich dachte, ich könnte ihn

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