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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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glücklich machen …«
    Lady Blythes Lächeln bestand aus dem Entblößen ihrer perfekten weißen Zähne. » Du – Nicholas glücklich machen? Niemals! Es bestand nie die geringste Chance, daß du Nicholas glücklich machen könntest.« Purer Haß brodelte unter der eisigen Oberfläche, den vollendeten Manieren und dem makellosen Äußeren.
    Lady Blythe durchquerte den Raum und klopfte ans Fenster. Der Chauffeur stieg aus dem Wagen und öffnete die hintere Tür. Jetzt erkannte Thomasine die andere Mitfahrerin: die große, knochige Gestalt, die groben Züge, das starre, schwarze Kleid mit den weißen Manschetten …
    Â»Miss Harper …Sie haben Miss Harper mitgebracht …?«
    Â»Was für ein Glück, daß die Nanny frei war, findest du nicht auch, Thomasine? Es ist so wichtig, daß William von einer professionellen Kraft erzogen wird.«
    Antonias Dienstmädchen hatte der Nanny die Tür geöffnet. Thomasine nahm William in die Arme und drückte ihn an sich.
    Â»Sie werden ihn nicht mitnehmen … Ich lasse niemals zu, daß Sie ihn mitnehmen …«
    Die Tür ging auf. »Einen Moment«, sagte Lady Blythe ruhig. »Sie warten in der Diele, Miss Harper.«
    Sie waren wieder allein im Zimmer. Lady Blythe sagte sanft: »Du solltest dir überlegen, was für William am besten ist, Thomasine. Du siehst doch sicher ein, daß du nie das Sorgerecht für ihn bekommen würdest. Der Richter würde dich für moralisch unzulänglich befinden und dich einer strafbaren Handlung sowie arglistiger Täuschung bezichtigen. Alle Welt würde erfahren, daß du den kriminellen Akt erwogen hast, dein Kind abzutreiben.« Lady Blythe hielt einen Moment inne, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
    Das kann ich nicht bestreiten, dachte Thomasine verzweifelt. Instinktiv hätte sie der Frau die Krallen ins Gesicht schlagen, sie aus dem Haus jagen, alles tun wollen, um sie von ihrem Kind fernzuhalten. Und dennoch wußte sie, daß Lady Blythe die Wahrheit sagte. Jeder mußte verdammen, was sie getan hatte.
    Â»Diese Tatsache bestreitest du also nicht. Na schön. Du hast die Wahl. Wenn du willst, kannst du Nicholas und William durch einen langen Sensationsprozeß schleppen. Dein Verhalten wird in allen Zeitungen verbreitet werden, wo es jedermann nachlesen kann. Nicholas ist kein Bauernknecht und kein Arbeiter, vergiß das nicht, Thomasine, sondern ein Blythe. Alle – inklusive Williams zukünftige Schulfreunde – würden erfahren, daß seine Mutter eine Hure und eine Lügnerin ist. Sie würden ihn hänseln – Kinder können sehr bösartig sein, wie du weißt. Seine Lehrer, seine Altersgenossen würden es erfahren. Sein Name und der Ruf, den man mit ihm in Verbindung bringt, wären in Mißkredit, lange bevor er erwachsen wäre.« Sie hielt inne. »Oder du schlägst den anderen Weg ein. Du trittst das Sorgerecht freiwillig an Nicholas ab. Nicholas gibt eine ehebrecherische Beziehung zu einer Frau mit zweifelhaftem Ruf zu – derlei Dinge werden einem Mann viel leichter verziehen –, und William wird damit eine Menge Leid erspart. Wie immer du dich entscheidest, das Ergebnis ist das gleiche. William wird auf Drakesden Abbey aufwachsen, wo er hingehört.«
    Es dauerte lange, bis sie sprechen konnte. Worte, Bilder schwirrten in wirrer Folge durch ihren Kopf, ohne Sinn zu ergeben.
    Â»Würden Sie mich fünf Minuten allein lassen, Lady Blythe?«
    Ein kurzes Nicken. »Ich weiß, daß du vernünftig sein wirst, Thomasine.«
    Als sich die Tür hinter Lady Blythe geschlossen hatte, setzte sie sich mit William auf dem Schoß in einen Sessel. Zuerst konnte sie nicht sprechen, sondern sah ihn nur an. Aber sie brauchte sich seine Züge gar nicht einzuprägen, denn die kannte sie auswendig. Schließlich flüsterte sie: »Möchtest du mit Omi einen Ausflug im Auto machen, William? Möchtest du Papa besuchen gehen?«
    William klatschte in die Hände, hopste auf ihrem Schoß herum und versuchte, sich von ihr loszumachen. Er liebte Autofahren. Erst als William ihr Taschentuch herauszog und mit tolpatschigen Fingern ihre Augen abtrocknete, merkte sie, daß ihr Tränen übers Gesicht strömten. Dann zog sie ihn an sich und flüsterte: »Sei ein braver Junge, William. Vergiß mich nicht« und erhob sich.
    Seine

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