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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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»Wen?«
    Â»Lally Blythe. Sie könnte dich heimbringen. Du bist doch mit Lally befreundet, oder nicht?« Ihre Stimme klang sarkastisch, weil sie sich an das Gespräch bei der Verlegerparty erinnerte, das sie zufällig mit angehört hatte.
    Â»Befreundet?« Er lachte kurz auf, aber seine blauen Augen blieben kalt. »Lally Blythe zur Freundin zu haben hieße mit einer Wildkatze befreundet zu sein. Hübsch anzusehen, aber Gott steh einem bei, wenn sie ihre Krallen ausfährt.« Als er Thomasine ansah, begann er zu lachen. Seine Schultern bebten, sein ganzer Körper wurde geschüttelt. »Ich glaub’s nicht. Du hast es nie bemerkt? Du warst doch ihre Schwägerin. Du mußt genauso blöd sein wie dein Exmann.«
    Mit einer einzigen Bewegung packte Daniel Simon am Revers und schob ihn nach hinten.
    Â»Du kleines …«
    Â»Nein, Daniel. Nicht. Mr. Melville geht jetzt. Ich begleite ihn hinaus.«
    Langsam lockerte sich Daniels Griff. Er schüttelte Simon noch einmal, bevor er ihn losließ. »Ich muß ein paar Anrufe machen. Ich erwarte, daß Sie verschwunden sind, wenn ich zurückkomme.«
    Simon strich seine Kleider glatt, während Daniel den Raum verließ. Die Angst war aus seinen Augen gewichen, und Belustigung trat an ihre Stelle.
    Â»Abgesehen davon ist Lally in ihren Bruder Nicholas vernarrt. Das solltest du doch wissen.«
    Thomasines Abneigung verwandelte sich in Ekel. Simon beobachtete sie und genoß ihr Unbehagen.
    Â»Manchmal hab ich mich gefragt, ob ihre geschwisterliche Beziehung ganz … astrein ist.« Seine Stimme klang nachdenklich. »Aber andererseits kann ich mir nicht vorstellen, daß der liebe Nicky so unartig wäre. Wahrscheinlich bekäme er einen Nervenzusammenbruch, wenn ihm jemand steckte, daß seine Schwester auf ihn abfährt. ’tschuldigung, ich meine natürlich einen weiteren Nervenzusammenbruch.«
    Thomasine zischte: »Raus hier. Du ekelst mich an. Raus.« Sie drehte sich um, weil sie es nicht mehr ertrug, ihn länger anzusehen. Als sie hörte, wie er die Haustür hinter sich zuschlug, ging sie zum Fenster, riß es weit auf und rang nach frischer Luft, als hätte Simon Melvilles Anwesenheit den ganzen Raum vergiftet. Die Hände noch immer zu Fäusten geballt, sah sie zu, wie Simon die Straße hinunterhumpelte und wie ein paar Minuten später Daniel von der Telefonzelle an der Straßenecke zurückkam.
    Als er die Wohnung betrat, konnte sie an seinem Gesichtsausdruck ablesen, daß er schlechte Neuigkeiten hatte. Mit resignierter Miene warf er die Arme in die Luft.
    Â»Sie haben einfach nachgegeben. Die ganze Arbeit, Thomasine. Ich hatte so ein gutes Gefühl.« Seine Stimme klang schneidend vor Zorn. Sie starrte ihn an. »Was meinst du?«
    Â»Die Regierung hat nicht nachgegeben, sondern der Gewerkschaftskongreß. Sie haben die Bergleute im Stich gelassen.«
    Â»Aber bei der Arbeit haben alle gejubelt. Alle dachten …« Ihre Stimme brach ab.
    Â»Keinen Penny weg vom Lohn, keine Stunde mehr an Fron«, murmelte Daniel bitter. »Leider hat das nicht ganz geklappt. Der Gewerkschaftskongreß hat irgendein Memorandum von Sir Herbert Samuel angenommen. Die Bergleute waren damit allerdings nicht einverstanden. Während jetzt das übrige Land an die Arbeit zurückkehrt, bleiben sie aus ihren Gruben ausgeschlossen. Bloß daß die Eigentümer sie jetzt so weit haben, daß der Hunger sie wieder zur Arbeit treibt.«
    Unvermittelt ließ er sich aufs Sofa fallen und vergrub den Kopf in den Händen. Sie sah, wie erschöpft und niedergeschlagen er war, und spürte eine ähnliche Verzweiflung in sich aufkommen. Nichts änderte sich. Eine Weile dachte man, es käme etwas in Bewegung, aber man hatte sich getäuscht.
    Â»Das schlimmste dabei ist, daß es keine Garantie dafür gibt, daß die Regierung das Samuel-Memorandum annimmt. Der Gewerkschaftskongreß glaubt, daß sie es tut, aber das ist nicht sicher. Und keinerlei Versprechen von Baldwin, daß die Streikenden nicht bestraft werden, wenn sie die Arbeit wiederaufnehmen. Ein paar Arbeitgeber bestehen bereits auf niedrigeren Löhnen für die Leute in den Nachtschichten.«
    Â»Dann war alles für die Katz?«
    Â»So sieht es aus.« Er starrte vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Der Gewerkschaftskongreß hätte die Drucker nicht zum Streik

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