Die geheimen Jahre
sich jeden Gegenstand genau anzusehen, wie es andere Kinder getan hätten. Er starrte sie nur mit seinen meergrünen Augen verständnislos an.
Der April kam, und der Frühling war mehr als bloà ein Hauch warmer Luft und ein wenig blauerer Himmel. Narzissen wuchsen auf dem Rasen und entlang der Wegränder Tulpen in allen Farbschattierungen. Thomasine zog William Mantel und Stiefel an und führte ihn aus dem Garten in den Obstgarten. Am Ende des Obstgartens nahm sie seine Hand, um durch den Wald zu gehen.
»Warum gehen wir diesen Weg? Den gehe ich nie.«
Thomasine lächelte. »Du kannst die Glockenblumen sehen, wenn du durch den Wald gehst. Und schau, William, das ist ein Schmetterling.«
Vollkommen unbeeindruckt sah William auf den Zitronenfalter und blickte zu Boden. »Der Weg ist schmutzig.«
»Das stimmt. Wir können unsere Schuhabdrücke sehen.«
Er inspizierte den Abdruck seines kleinen Schuhs und erwiderte nichts.
»Wir gehen zu den Dockerills«, erklärte Thomasine, als sie den Zauntritt erreichten. »Es geht viel schneller durch den Wald als auÃen herum über die StraÃe.«
»Ich mag die StraÃe. Ich mochte das Auto.« William sah auf den Zauntritt, als sei er nicht ganz sicher, was er damit anfangen sollte. Thomasine stieg zuerst hinüber und streckte die Hand aus.
»Das kann ich selber.« Stolz kletterte er über die Holzstange. Sie wartete eine Weile, bis er sich den Mantel abgeklopft hatte.
»Nanny sagt, daà Gott keine schmutzigen Buben mag.«
Entsetzt starrte sie ihn an. Gerade jetzt erinnerte er sie so lebhaft an Nicholas: der dichte Schopf des dunklen Haars, das sorgfältige Abzupfen jedes Schmutzpartikels von seinen Kleidern.
»Gott mag alle Arten von Buben, William«, antwortete sie liebevoll. »Es kümmert ihn kein biÃchen, ob ihre Sachen schmutzig oder sauber sind, ob sie sich gebadet und gekämmt oder die Zähne geputzt haben.«
Spontan beugte sie sich hinunter und umarmte ihn. Noch immer wehrte er sie ab, aber nicht mehr ganz so entschieden wie vor drei Monaten, fand sie. »Ich liebe dich«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Das habe ich immer getan und werde es immer tun.«
Als sie das Ende des Feldwegs erreicht hatten, schlug Thomasine den vertrauten Weg um die ehemalige Schmiede ein.
»Ich hoffe, Mr. Dockerill verkauft uns ein paar Hühner«, erklärte sie. »Dann könnten wir sie im Garten halten und bekämen eine Menge schöner Eier. Das wäre doch toll, oder?«
Er antwortete nichts, aber sie glaubte, einen Anflug von Neugier in seinen Augen zu entdecken. Als sie in den Hof traten, sah Thomasine, daà Harry Dockerill gerade das Pferd aus dem Stall führte. Sie rief seinen Namen, er drehte sich um und lüpfte die Mütze.
»Lady Blythe ⦠ich meine â¦Â«
»Es reicht Miss Thorne, Harry. Oder Thomasine, wenn Sie wollen.«
Harry ging ihr über den Hof entgegen. »Annie!« rief er. »Missus ist da.«
Annie Dockerill kam heraus und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. Ein kleines Mädchen, das sich an ihren Rockzipfel klammerte, stolperte hinter ihr drein.
»Missus«, sagte sie und reckte den Kopf. »Und der kleine Master William.«
William sah sie an. »Du hast bei uns die Treppen geputzt.«
Annie Dockerill lachte. »Ja, das stimmt. Die Treppen in der Abbey waren eine endlose Plackerei. Kaum war ich oben angekommen, waren sie unten schon wieder schmutzig.«
»Stell den Kessel auf, Annie«, sagte Harry. »Sie trinken doch eine Tasse Tee mit uns, Miss Thorne?«
Sie nahm gern an. Man trank Tee, William bekam einen Lebkuchenmann, und man unterhielt sich übers Wetter, die Farm und die Kinder.
SchlieÃlich sagte Thomasine: »Harry, ich bin gekommen, um Ihnen ein Tauschgeschäft vorzuschlagen. Ich weiÃ, daà Sie auf dem Markt in Ely Narzissen verkaufen â nun, ich habe eine Menge davon und auÃerdem eine Menge Tulpen. Schöne â in allen Farben.«
Harry nickte. »Die Tulpen der Abbey sind berühmt, Miss Thorne. Die würden weggehen wie warme Semmeln.« Er runzelte die Stirn. »Aber was für ein Tauschgeschäft?«
»Gegen Hühner, wenn Sie einverstanden wären. Ein paar Legehennen, falls Sie welche erübrigen können. Ich hab eine Menge Holz und Maschendraht, und ich bin mir sicher, wenn ich Eddie zeige, wie es geht, könnte er
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