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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mir einen Hühnerstall bauen. In der Nähe der Geräteschuppen wäre ein guter Platz dafür. Es gibt doch im Moment nicht allzu viele Füchse, oder?«
    Harry stand auf. »Kommen Sie, suchen Sie sich gleich ein halbes Dutzend Hennen aus. Es sind gute Legehennen – sie haben mich letztes Jahr nicht enttäuscht. Und ich werde Eddie Readman beim Bau des Hühnerstalls helfen, damit er nicht beim ersten Windstoß zusammenbricht.«
    Draußen im Hof suchte sich Thomasine ein halbes Dutzend fetter Hennen aus und traf Vereinbarungen für das Pflücken der Tulpen und den Bau des Hühnerstalls. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie, daß William nicht wie erwartet über den Hof die Nase rümpfte, sondern beim Stall stand und neugierig zu dem Pferd aufsah. Sie ging zu ihm hinüber und ließ sich neben ihm in die Hocke.
    Â»Es heißt Nelson, William. Es ist Mr. Dockerills Pferd und übernimmt viel Arbeit auf der Farm. Möchtest du ihm ein Zuckerstück geben?«
    Ihr blieb die Luft weg, als er nickte und sie nicht wegschob. Thomasine griff in die Manteltasche und holte Zuckerstücke heraus, die sie auf dem Land immer bei sich trug.
    Â»Du mußt deine Hand flach ausstrecken.« Sie legte dem Kind das Zuckerstück auf die Handfläche. »So ist’s richtig. Jetzt heb ich dich hoch, weil Nelson so groß ist.«
    Sie hob ihn hoch und beobachtete, wie das samtige Maul des Pferdes über die kleine Hand strich. Williams Augen waren vor Begeisterung weit aufgerissen.
    Â»Er mag es, wenn man seine Mähne streichelt.«
    William streckte die Hand aus. Hinter ihr sagte Harry Dockerill: »Er fürchtet sich kein bißchen, Miss Thorne. Die Blythes waren immer als gute Reiter bekannt.«
    Schließlich entwand sich William ihren Armen. Thomasine sah Nelson nachdenklich an.
    Â»Unsere Ställe sind jetzt leer – Nicholas mußte alle Pferde verkaufen. Hat der Pfarrer eigentlich immer noch sein Pony, Harry?«
    Harry nickte. »Die alte Bluebell ist vor ein paar Jahren gestorben, aber er hat sich ein neues gekauft, um den Wagen zu ziehen. Mr. Fanshawe fährt zwar höchstens einmal im Jahr aus, aber ein Pony hält er sich trotzdem noch.«
    Sie lächelte. »Danke, Harry. Ich mache mich dann wieder auf den Weg. Vielleicht habe ich noch Zeit, vor dem Mittagessen beim Pfarrer vorbeizusehen.«
    Am folgenden Tag lieh sich Thomasine das Pony des Pfarrers und begann, William auf der Koppel Reitstunden zu geben. Das Pony hieß Fancy und war eine dicke, gesprenkelte Version von Thomasines alter Freundin Bluebell. Als sie William auf Fancys Rücken sitzen sah, während seine kurzen Beinchen zu beiden Seiten des dicken Bauchs abstanden, fühlte sie sich unwillkürlich in die Vergangenheit zurückversetzt, als sie auf dem Pony des Pfarrers saß und Daniel neben ihr herritt. Sie gestattete sich nicht, an Daniel Gillory zu denken, seit Dezember vermied sie jeden Gedanken an ihn. Während der letzten Monate hatte sie so schwer gearbeitet, daß ihr kaum Zeit zum Nachdenken blieb. Diese Art der Liebe war jetzt ein Luxus, der mit all dem anderen Luxus der Abbey wie Personal, duftende Seife und fließend Warmwasser abgelegt worden war.
    Ein paar Tage später war sie erschöpft neben dem Küchenherd eingenickt, als Williams Schreie sie weckten.
    Es war dunkel. Noch ganz benommen griff Thomasine die Öllampe vom Tisch und lief zur Küchentür. Ein Haus von der Größe Drakesden Abbeys barg viele Gefahren für ein kleines Kind. Vielleicht war er die Treppe heruntergefallen, oder seine Kleider hatten an einer Kerze Feuer gefangen …
    Â»William! Wo bist du, William?«
    Er antwortete nicht, sondern schluchzte weiter, aber das Schluchzen schien jetzt aus größerer Nähe zu kommen. Mit der Öllampe in der Hand rannte sie am Zimmer des Butlers, am Vorratsraum und an der Speisekammer vorbei. In der Diele sah sie aufgeregt ins Damenzimmer und in den Salon. Beide waren leer. Dann hob sie die Lampe, rief erneut seinen Namen und erspähte ihn schließlich oben an der Treppe, wo er zusammengekauert im Mondlicht saß, das durch das Fenster einfiel. Sie nahm ihn in die Arme.
    Â»William – Liebling – was ist los? Hast du dir weh getan?«
    Er schaffte es, den Kopf zu schütteln, konnte aber vor Schluchzen kaum sprechen. »Ich hab – ich hab – ein Monster gesehen!«
    Thomasine sah auf

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