Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Ihr Vater ist vor zwei Tagen von seiner Reise zurückgekehrt. Sie hat ihm endlich ihren Wunsch mitgeteilt, Mr. Wellington zu heiraten, und hat diesen Herrn ihrem Vater vorgestellt.«
Ich setze mich auf, war ganz Aufmerksamkeit. »Und? Was ist das Ergebnis?«
»Das Ergebnis ist – das waren nicht ihre eigenen Worte, ich denke, ich gebe es hier besser in meiner Fassungwieder –, dass ihr Vater, wenn er auch offensichtlich äußerst enttäuscht darüber ist, dass sie es wagt, sich seinen Wünschen zu widersetzen, und obwohl er sich bei dem Gedanken überhaupt nicht wohlfühlt, dass er ein vor so langer Zeit gegebenes Versprechen brechen muss, Mr. Wellington außerordentlich einnehmend fand. Ihre jugendlichen Liebesbeteuerungen haben ihn umgestimmt, und er hat der Beziehung seinen Segen gegeben.«
Ein Lachen reinster Glückseligkeit stieg mir in die Kehle. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich je über die Nachricht von einer Verlobung so entzückt gewesen wäre, insbesondere über die Verbindung zweier Menschen, die ich so wenig kenne.«
Mr. Ashford lachte seinerseits, wurde dann sehr ernst und schüttelte mit einem kleinen Seufzer den Kopf. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie erleichtert ich bin, endlich von dieser Last befreit zu sein, die ich nun schon mein ganzes Erwachsenenleben hindurch getragen habe.«
»Die ganze Angelegenheit zeigt nur, wie lächerlich und altmodisch die Tradition der arrangierten Ehen ist. Wie irgendjemand sich anmaßen kann, zu wissen, welche zwei Menschen füreinander geschaffen sind, schlimmer noch, zwei Menschen ohne deren Zustimmung zu verkuppeln, entzieht sich völlig meinem Verständnis.« 44
»Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich kann nur hoffen, dass mein Vater es genauso gelassen aufnimmt, wenn ich ihm von uns berichte. Ich zähle voller Ungeduld die Tage bis zu seiner Ankunft.«
»Wann erwarten Sie ihn?«
»Anfang nächster Woche, seinem letzten Brief zufolge.« Er berührte meine Wange mit der Hand und schaute mich sehr zärtlich an. »Wenn ich ihn sehe, meine liebste Jane, wissen Sie, was ich dann sagen werde?«
»Wie war deine Reise, Vater?«, antwortete ich leichthin.
»Ich werde ihm erzählen, dass ich die wunderbarste Frau der Welt liebe und dass ich die Absicht hege, sie zu heiraten.«
Ich spürte, wie ein sanfter Ruck durch meinen Körper ging, und glaubte, es müsste mein Herz sein, das vor Freude beinahe zersprang. Dann merkte ich allerdings, dass unser kleines Boot gegen das Ufer gestoßen war und sich dort im Schatten und Schutz einer Trauerweide festgesetzt hatte. Mr. Ashford erhob sich von seiner Bank und saß einen Augenblick später schon neben mir. Mit einem leisen Lächeln flüsterte er: »Jane, mir ist gerade klar geworden, was Ihrem Buch fehlt.«
»Meinem Buch?« Mein Buch war das Letzte, woran ich gerade dachte. Die Nähe seines Oberschenkels und seiner Schulter, sein bloßer Anblick so unmittelbar vor mir, all das ließ mein Herz rasch schlagen und zerstreute all meine Gedanken in den Wind.
»Am Ende. Da fehlt der Kuss.«
»Ein Kuss?«
»Ja.« Sein Tonfall war völlig ernst, aber in seinen Augen lag ein zärtliches Necken. »Elinor bekommt ihren Edward. Marianne wird mit dem guten Colonel Brandon getröstet. Aber es gibt zwischen all diesen Liebenden keine gesprochenen Liebesworte, keinen körperlichen Ausdruck ihrer Zuneigung und keinen Kuss. Das ist doch einziemlich drastisches Versäumnis in einem Buch, in dem es um Liebe und Brautwerbung geht, nicht wahr?«
»Ich ziehe es vor, nur über das zu schreiben, was ich selbst erlebt habe«, sagte ich. »Und zum Zeitpunkt des Schreibens war meine Vertrautheit mit dem Thema recht beschränkt.«
»Das müssen wir ändern«, sagte er und berührte dort, in der Abgeschiedenheit der grünen Weidenlaube, mit seinen Lippen meinen Mund.
Es dauerte eine ganze Weile, bis wir wieder sprachen.
»Können wir in Ihrem nächsten Buch also«, meinte er schließlich mit heiserer Stimme, »etwas mehr Leidenschaft und einen Ausdruck körperlicher Zuneigung zwischen Ihrem Helden und der Heldin erwarten?«
»Ich denke nicht.«
»Warum das?«
»Einige Dinge«, erwiderte ich leise, »bleiben am besten der Phantasie überlassen.«
Kapitel 25
Als ich mich am 1. Oktober in Henrys Speisezimmer mit Mr. Ashford, Henry und meinen Schwestern zu einem wunderbaren Abendessen an den Tisch setzte, wurde eine sehr teuer aussehende Flasche Wein hereingetragen, und Henrys Butler begann, reihum die Gläser
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