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Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman

Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman

Titel: Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hereinließ. Lange stand ich wie angewurzelt da und schaute auf die schöne Aussicht, die sich vor mir erstreckte, über die Dächer der Stadt und die Leinen mit der flatternden Wäsche, auf die allmählich zum Hafen abfallenden Sträßchen und das Meer, das im Sommersonnenschein des Spätnachmittags tanzte und glitzerte.
    »Sie können Ihre Mahlzeiten hier einnehmen, wenn Sie das wünschen, oder Sie können im Royal Lion hervorragend essen, wenn es dort um diese Jahreszeit auch manchmal ein wenig voll ist.«
    Dankbar nahmen wir Mrs. Stouts Angebot an, in ihrem Hause zu speisen, da wir spät am Tag angekommen waren und früh zu Bett gehen wollten.
    Als wir am nächsten Morgen aufwachten, stellten wirerfreut fest, dass die Julisonne an einem strahlend blauen Himmel mit kleinen bauschigen Wölkchen schien. Eine Welle seliger Erwartung kam über mich. Ich freute mich so sehr auf die Ausflüge dieses Tages, dass ich wohl nur wenig Zeit und Aufmerksamkeit auf meine äußere Erscheinung verwendete. Frauen von weit größerem Vermögen wären vielleicht bei dem Gedanken zusammengezuckt, man könnte sie hier in einem anderen Aufzug als dem neuesten, kurz gesäumten Badegewand sehen, das nach der letzten Mode knöchelfrei zu sein hatte. Ich fand diese Kleider hässlich und hätte nie im Leben eines angezogen, selbst wenn man sie am Strand kostenlos verteilt hätte.
    Mein Interesse an der neuesten Mode wurde stets durch meine schmale Börse begrenzt, und ich musste mich folglich auf eine kleine Garderobe beschränken. Nach Lyme hatte ich drei Kleider mitgebracht, die alle noch respektabel, aber alles andere als neu waren. An jenem Tag zog ich eines meiner Lieblingsgewänder an, ein schlichtes Kleid aus weißem, einfarbig mit Ranken besticktem Musselin mit dreiviertel langen Ärmeln, einer kleinen Schleppe und einem gekräuselten Ausschnitt. Unter dem Busen war es gerafft, und ich trug dazu einen Gürtel aus dunkelblauem Satin, der – ich darf mich ohne Scham daran erinnern – wunderbar zum Putz und den Blumen an meinem Strohhut passte. Ich frisierte meine langen brünetten Haare, so schnell ich konnte (indem ich sie zu Zöpfen flocht und unter den Hut stopfte), und zog nur um mein Gesicht herum ein paar Locken hervor. Dann nahm ich mein Retikül 13 und meinen Sonnenschirm zur Hand, erklärte mich für landfein und eilte zum Frühstück .
    Nach unserer morgendlichen Mahlzeit schritten Henry und ich die geschäftige Hauptstraße entlang, die so rasch zum Wasser hinunterzuführen schien, wie der Lyme in seinem Flussbett über die Felsen rauschte und sich ins Meer ergoss. Als wir die Promenade erreichten, die von der Stadt aus am Fuß eines grünen Hügels an der hübschen kleinen Bucht von Lyme entlang verlief, blieben wir stehen und bewunderten das Panorama.
    Verschiedene Schiffe lagen im Hafen vor Anker, und eine höchst eindrucksvolle Kette von hohen Klippen zog sich östlich des Orts hin. Die Seepromenade wimmelte nur so vor modisch gekleideten Herren und Damen auf dem Morgenspaziergang. Auch in der Bucht selbst herrschte fröhliches Treiben. Hier waren viele Badekarren zu sehen, jene kleinen hölzernen Kammern auf Rädern, die von Pferden ins Meer gezogen wurden. Die Rösser standen geduldig da, während die Wellen an ihre Flanken spülten und die Badenden in ihren Flanellbadeanzügen je nach Temperament kühn oder ängstlich mit Hilfe zuverlässiger Bademeister vom hinteren Teil der Badekarren ins Meer eintauchten. 14 Die Sonne strahlte noch hell, wenn sich auch inzwischen einige drohende graue Wolken zusammengezogen hatten.
    »Ich glaube nicht, dass Lyme an die Küste von Dorset gehört«, sagte ich und ergötzte mich an der frischen Brise, die mir die Wangen kühlte.
    »Wohin sollte es denn deiner Meinung nach gehören?«, erkundigte sich Henry.
    »Es scheint mir eher ein Vorposten des Himmels zu sein.«
    Da stimmte Henry mir zu.
    Wir beschlossen, den Besuch am Strand für später aufzuheben, und gingen sogleich zum Cobb, dem langen, halbkreisförmigen Steinpier, der an der anderen Seite des Hafens ins Meer hinausragt und auf dem auf zwei verschiedenen Ebenen breite Spazierwege verlaufen. Gerade hatten wir ein gutes Stück auf dem unteren Weg, dem Lower Cobb, zurückgelegt, als wir einige Stufen erreichten, die zur oberen Ebene hinaufführten. Auf dem Upper Cobb wehte eine steife Brise. Seine Oberfläche ist ein wenig abschüssig, sodass es manchen Spaziergängern schwerfällt, darauf zu gehen. Ich dagegen hatte es

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