Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
war’s, als es mit mir begann. So ist es jetzt, da ich ein Mann …«
»So soll es sein, wenn alt ich werde sein«
, fuhr ich fort.
»Sonst lasst mich sterben!«
»Sie lesen Wordsworth!«, konstatierte er entzückt.
»Aber ich mag Cowper und Scott lieber.«
»Haben Sie Walter Scotts
The Lay of the Last Minstrel
16 gelesen?«
»Es ist eines meiner Lieblingswerke. Sind Sie auch mit Dr. Samuel Johnsons Arbeiten vertraut?«
»Mit seinen Essays in der Zeitschrift
Rambler
? Die gehören zu seinen besten.«
»Ich nehme an, Romane lesen Sie aber nicht?«, fragte er dann ein wenig zögerlich.
»Meine Familie und ich sind unverfroren begeisterte Romanleser.«
Ein breites Lächeln erhellte seine Miene. »Und Sie schämen sich dessen nicht?«
»Bitte, mein Herr, sagen Sie nicht, dass Sie der konservativen Meinung anhängen, Romane seien die niedrigste Form der Literatur.«
»Im Gegenteil, ich lese sie selbst leidenschaftlich gern. Aber in meinem Bekanntenkreis gibt es nur wenige Damen, die dieses Interesse mit mir teilen.«
Unsere Augen trafen sich, und wir lächelten uns an. Ich war vollkommen fasziniert, und ich spürte, dass esihm ähnlich erging. Ich konnte nicht anders, ich musste ihm einfach die Frage stellen, die mir schon seit dem ersten Augenblick unseres Zusammentreffens durch den Kopf ging.
»Sagen Sie mir, Mr. Ashford, da Sie schon die Damen aus ihrem Bekanntenkreis erwähnt haben: ein Mann wie Sie, ein Herr von beträchtlichem Vermögen und Erbe eines Titels, mit den Manieren und der guten Erziehung, die eines Gentleman würdig sind«, (und, fügte ich im Stillen hinzu, ein so liebenswerter und attraktiver Mann mit einer lebhaften Phantasie und einem so quicklebendigen Geist), »muss doch im letzten Jahrzehnt in allen Familien der Grafschaft Derbyshire höchstes Interesse erregt haben und wurde wohl allgemein als rechtmäßiges Eigentum der einen oder anderen heiratsfähigen Tochter betrachtet. Wie kommt es da, dass Sie nie geheiratet haben?«
Seine Wangen überzogen sich mit Röte, und er schwieg eine Weile. Ich spürte, dass ich ihn in Verlegenheit gebracht hatte, und bedauerte meine vorlaute Bemerkung. Doch schließlich hob er die Augen und schaute mich geradewegs und sehr ernst an. »Vielleicht«, sagte er leise, »ziehe ich es vor, sehr wählerisch zu sein.«
»Harriet in
Sir Charles Grandison
17 «, sagte ich.
Wir aßen im Royal Lion zu Abend. Nach dem langen, herrlichen Spaziergang hatten Mr. Ashford und ich unsim Gasthaus wieder zu den anderen gesellt. Mary hatte inzwischen trockene Kleider angezogen, war ausgesprochen lebendig und nippte an ihrem Tee, während Charles und Henry in Erinnerungen an ihre Universitätszeiten schwelgten. Ihre lebhaften Gespräche wurden am einen Ende des Tisches auch bei gebratenem Fisch und Geflügel fortgesetzt, während Mr. Ashford und ich uns an unserem Ende weiter unterhielten. Die letzten Stunden waren mir wie im Flug vergangen. Ich spürte, dass ein Zauber in der Luft lag. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich je die Gesellschaft eines Herrn als so überaus angenehm empfunden hatte.
»Unter all den Heldinnen der Literatur ist Harriet diejenige, die Sie am meisten bewundern?«, erkundigte sich Mr. Ashford.
»Eine von denen, die ich am meisten bewundere.«
»Warum?«
»Wegen ihrer Intelligenz und Charakterstärke.«
»Weil sie sich weigerte, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mochte?«
»Weil sie sich trotz ihres Mangels an Vermögen weigerte, einen reichen Mann zu heiraten.«
»Ah«, meinte er. »Und in diesem Sinne finden Sie sicher auch viel am Helden des Buches zu bewundern, an Sir Charles?«
»Ich denke, er ist so vollkommen, wie ein Mann in einem Roman nur sein kann. Wenn er auch meiner Meinung nach eher tugendhaft als romantisch ist.«
»So tugendhaft finde ich ihn aber nicht«, erklärte Mr. Ashford mit einem Stirnrunzeln. »Er ist unbeständig. Während des gesamten Romans schwankt er hin und her zwischen Harriet und der italienischen Lady Clementina.«
»Aber nur, weil er Lady Clementina sein Wort gegeben hat; und seine Ehre hindert ihn daran, dieses Gelübde zu brechen. Doch er ist treu und beständig; denn er rettet Harriet vor Entführung und Ruin, und er bleibt sieben Bände lang in sie verliebt.«
»Wahrhaftig ein Maß für seine Charakterstärke«, antwortete er mit einem Lachen.
»Ich habe Sie noch nie so ins Gespräch vertieft gesehen, Ashford«, rief Maria plötzlich, und ihre Miene wirkte im flackernden Kerzenschein
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