Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
und scharlachroten Bändern geschmückt und wurde von einem wirklich entzückenden Sträußlein aus Kirschen gekrönt. Wir hatten gerade die Trauerkleidung für die arme Elizabeth abgelegt, und nach den vielen Monaten in Schwarz war jeder farbenfrohe und heitere Anblick ein wahres Fest für die Sinne.
Ehe ich wusste, wie mir geschah, stand ich auch schon im Laden, und die Verkäuferin nahm lächelnd den Hut vom Ständer und reichte ihn mir. »Verzierungen mit Früchten sind dieses Jahr wieder sehr gefragt«, meintesie. »Wir haben im Hinterzimmer einen Spiegel, wenn Sie die Haube einmal aufsetzen möchten?«
»Bitte, auf wie viel beläuft sich der Preis?«, erkundigte ich mich.
Die Dame nannte die Summe. »Die Farbe steht Ihnen. Sie wird vorzüglich zu Ihrem Teint passen.«
»Das kann schon sein«, erwiderte ich mit einem Seufzer, »aber nicht zu unserer Börse.« Da ich selbst kein eigenes Geld besaß – jeden Penny, über den ich verfügte, verdankte ich nur der Großzügigkeit meiner Mutter und meiner Brüder –, konnte ich es mir kaum leisten, Hauben nur um ihrer Schönheit willen zu kaufen. Ich bedankte mich bei der Dame, und Cassandra und ich traten wieder auf die geschäftige Straße hinaus.
»Unsere alten Hüte sind immer noch recht brauchbar und lassen sich gewiss mit etwas neuem Schmuck hübsch aufputzen«, meinte Cassandra, um mich zu trösten. »Wir könnten beim billigen Krämer für den gleichen Preis, den eins dieser Kirschensträußchen kostet, drei oder vier sehr hübsche Blütenzweige kaufen.«
»Da hast du sicher recht«, sagte ich, trauerte aber doch noch meiner hübschen rot-weißen Haube nach, bis plötzlich meine Augen auf einen Hut von viel größerem Ausmaß und teurerem Gepräge fielen, der auf dem Kopf einer eindrucksvoll aussehenden Dame thronte, die auf uns zugeschritten kam. Ihr Kleid war elegant nach der neuesten Mode geschneidert, und auf dem Hut war jede nur vorstellbare Obstsorte aufgetürmt, sodass er eher einem Fruchtsalat als einem Kleidungsstück glich.
»Ich denke, es wirkt doch natürlicher, wenn aus einem Kopf Blüten sprießen und kein Obst«, meinte ich, währendCassandra und ich uns alle Mühe gaben, ein Lachen zu unterdrücken.
Plötzlich verschlug es uns den Atem, denn wir erkannten die Dame, die auf uns zukam.
»Mrs. Jenkins!«, rief ich. Die Dame war eine Bekannte unserer Mutter (wenn auch keine besonders gute); sie hatte sie nach unserem Umzug hierher nach Southampton kennengelernt. Mrs. Jenkins war eine kinderlose Witwe von sechzig Jahren, deren Ehemann seinen Lebensunterhalt als Geschäftsmann verdient und ihr ein beträchtliches Vermögen vererbt hatte, dazu noch zwei Häuser, eines in London und eines in Southampton. Obwohl wir im Allgemeinen nicht in den gleichen Kreisen verkehrten, waren wir einmal zu einer Gesellschaft in ihrem Hause eingeladen gewesen, einer sehr eleganten Veranstaltung. Mrs. Jenkins besaß nach meinem Dafürhalten keinen besonders scharfen Verstand, war aber freundlich und gutherzig und schenkte jedem, dem sie begegnete, bereitwillig ihr warmes Lächeln. Sie strahlte, als sie auf uns zueilte.
»Miss Austen! Miss Jane! 26 Was für ein glücklicher Zufall ! Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Ich bin erst diese Woche aus London zurückgekehrt, nachdem ich den größten Teil des Winters dort verbracht habe. Wie geht es Ihrer lieben Mutter?«
»Sie hat sich in letzter Zeit recht unwohl gefühlt, was sie auf den Regen und die feuchte Meeresluft zurückgeführt hat«, antwortete ich. »Sie ist gestern abgereist, um Zuflucht bei unserem Bruder James in Steventon zu suchen.«
»Oh, es tut mir leid, dass sie krank ist. Erwarten Sie ihre Rückkehr in der nahen Zukunft?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Cassandra. »Meiner Schwester und mir bleiben noch sechs Wochen zum Packen, ehe wir ihr nachreisen.«
»Ach, das stimmt! Ich hätte es beinahe vergessen. Es ist also alles entschieden? Sie werden aufs Land hinausziehen und unsere schöne Stadt auf immer verlassen?«
»Ja«, antwortete ich.
»Nun, man wird Sie hier sehr vermissen, das ist gewiss. Ich hätte mich so gern von Ihrer Mutter verabschiedet. Ich muss ihr schreiben und sie ausschelten, dass sie nicht einmal versucht hat, mir vor ihrer Abreise einen Besuch abzustatten! Versprechen Sie beide mir unbedingt, mich bald einmal zu besuchen und sich nicht für alle Zeiten auf dem Land zu vergraben. Aber, oh, wie erleichtert müssen Sie alle sein, dass Sie nun endlich ein Zuhause
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