Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
scheinbar nach der Entbindung vollständig wieder erholt. Dann war sie eines Abends, kurz nachdem sie ein deftiges Abendessen zu sich genommen hatte, zum Entsetzen ihrer Familie und zur völligen Bestürzung ihrer Ärzte zusammengebrochen und gestorben. Ich glaube, Edward hatte Elizabeth mehr als das Leben selbst geliebt. Sie so plötzlich und aus so unerfindlichen Gründen zu verlieren, war für ihn eine schreckliche Tragödie. Ich trauerte mit ihm; ich trauerte um Elizabeth, die das Leben, das sie so sehr liebte, viel zu früh hatte verlassen müssen; und ich trauerte mit den elf Kindern, die sie mutterlos hinterließ.
Cassandra, die bereits in Godmersham weilte, blieb dort, um Edward und den Kindern zur Seite zu stehen und sie zu trösten, während ich mich in Southampton einige Tage um zwei meiner jungen Neffen kümmerte. Ich tat mein Möglichstes, um sie aufzumuntern und sie abzulenken, ehe sie in ihre Schule nach Winchester weiterreisten.
Inmitten dieses schrecklichen Schmerzes traf ein Schreiben von Cassandra bei uns ein, in dem sie uns weitereNachrichten übermittelte, die uns außerordentlich überraschten. Die ersten Abschnitte ihres Briefes handelten hauptsächlich von den täglichen Leiden der trauernden Familie in Godmersham, doch dann schrieb sie:
Ich habe Neuigkeiten von Edward mitzuteilen, die wahrscheinlich höchst unerwartet sind, da sie zu einer so melancholischen Stunde kommen. Doch gleichzeitig könnten sie vielleicht dazu beitragen, eure Gemüter ein wenig zu erheitern – und ich bin sicher, dass ihr drei, du, meine Mutter und Martha, sie außerordentlich erfreulich finden werdet. Edward bietet uns ein Haus an. Er hat mich heute Morgen mit den Einzelheiten vertraut gemacht und mich gebeten, euch die Nachricht zu übermitteln, da er sich im Augenblick dieser Aufgabe nicht gewachsen sieht. Sein Wunsch ist, dass wir eines seiner Cottages auf dem Landgut kostenlos nutzen. Er stellt uns zwei zur Auswahl: ein Haus, das unweit von Godmersham in Wye liegt, das, wie ihr wisst, ein reizendes Dörfchen ist, oder das Verwalterhäuschen in Chawton, gleich beim Herrenhaus (da der Verwalter kürzlich verstorben ist). Edward meint, das Häuschen in Chawton hätte eine gute Größe, besäße auch einen schönen Garten, dazu noch sechs Schlafzimmer und zusätzlich Mansarden unter dem Dach, die man für Lagerzwecke benutzen könnte. Es ließe sich ohne großen Kostenaufwand für uns herrichten.
Dann erging sich meine Schwester in näheren Einzelheiten zu den beiden Häusern selbst, soweit sie davon im Gespräch mit Edward etwas erfahren hatte. Der Bericht, den Cassandra (wie es ihrer ruhigen, gelassenen Naturentsprach) in so nüchterner Manier erstattete, wurde am Castle Square mit großer Freude zur Kenntnis genommen.
»Ein eigenes Haus!«, rief meine Mutter und schlug vor Verwunderung die Hände an die Brust. Ich hatte sie nach ihrer Heimkehr von einem Besuch bei Miss Barker, der Schneiderin, wo sie ihr Kleid aus schwarzem Wolltwill nach einer neueren Mode umschneidern lassen wollte, mit der guten Nachricht begrüßt. »Kostenlos! Und wir dürfen so lange darin wohnen, wie wir wollen! Oh, es ist zu schön, um wahr zu sein!«
»Wir müssen uns nur entscheiden, welchen Ort wir vorziehen«, sagte ich und bezog mich erneut auf den Brief in meiner Hand, den ich schon mindestens ein Dutzend Mal in größter Verwunderung gelesen hatte.
»Oh! Ich bin überwältigt! Ich bin so echauffiert, ich kann gar nicht denken!«, rief meine Mutter, als sie sich wie benommen auf ihren Lieblingsplatz auf dem Sofa niederließ und sich mit der Hand Kühlung zufächelte. »Ich habe das Gefühl, ich müsste jeden Augenblick vor Freude in Ohnmacht fallen. Aber ich glaube, der Gedanke an Wye gefällt mir. Ich mag Kent wirklich gern, und ich möchte in der Nähe von Edward und den Kindern sein.«
»Das Häuschen in Chawton bietet auch viele Vorteile«, merkte ich an. Wir hatten im vergangenen Sommer Edwards Besitztümer besucht. Obwohl ich mich nicht speziell an das Haus des Gutsverwalters erinnern konnte, hatten wir doch das weitläufige Herrenhaus bewundert, das gerade leerstand, weil der alte Pächter es verlassen hatte und der neue noch nicht angekommen war. Auch das Dorf, das etwa dreißig Häuser umfasst, hatte uns gefallen. »Wir kennen Chawton. Es ist bezaubernd und nur etwa zwölf Meilen von Steventon entfernt. Außerdem kannman von dort aus zu Fuß auch Alton, eine sehr schöne Stadt, erreichen. Erinnere dich, in
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