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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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gegossen hatte, ohne damit viel auszurichten.
    »Branwell! Branwell! Aufwachen! Aufwachen!«, schrie ich und rüttelte ihn, aber er murmelte nur etwas im Schlaf und drehte sich ahnungslos im Bett um.
    »Holt mehr Wasser!«, rief Emily. Anne rannte aus dem Zimmer. Während Emily Branwell aus dem Bett zerrte und ihn ohne viel Federlesens in eine Ecke schleuderte, wo er aufwachte und sich, ängstlich und vor Schreck und Verwirrung schreiend, an die Wand drückte, zog ich das brennende Bettzeug in die Mitte des Zimmers und begann mit einer Decke darauf einzuschlagen. Emily riss den Mantel meines Bruders von einem Stuhl und attackierte damit die Flammen, die die Bettvorhänge einhüllten. Anne und Martha kamen mit Kannen voller Wasser aus der Küche gelaufen; sie griffen ihrerseitsin die Schlacht gegen das tobende Inferno ein, und endlich gelang es uns mit vereinten Kräften, das Feuer zu löschen. Das Zischen der vom Wasser besiegten Elemente umgab uns alle, die wir hustend in dem kleinen Zimmer standen und mit den Händen den Qualm wegwedelten. Ich öffnete das Fenster. Branwell saß immer noch in seiner Ecke und kreischte wie ein Wahnsinniger.
    »Du elender Narr!«, schrie Emily und fuhr zu ihm herum. »Du solltest doch wirklich wissen, dass man nicht bei einer brennenden Kerze einschlafen darf! Beinahe wäre das ganze Haus den Flammen zum Opfer gefallen!«
    Wir brauchten den restlichen Nachmittag und Abend, um das Durcheinander zu beseitigen, und einige Monate, ehe wir auch die beschädigten Bettdecken und Vorhänge am Bett ersetzt hatten. Von jenem Tag an war es Branwell streng verboten, eine Kerze anzuzünden, wenn er allein war, und wir versteckten alle Kerzen und bewahrten sie ständig an neuen Orten auf, damit er keine finden konnte. Außerdem bestand Papa – der ohnehin schon immer wegen möglicher Brände sehr besorgt gewesen war – nun darauf, Branwell solle künftig bei ihm im Zimmer schlafen, damit er verhindern konnte, dass ihm weiterer Schaden zustieß. Von nun an teilten sich die beiden Männer jede Nacht das Bett, solange Branwell lebte.
     
    Während ich schrieb, verging in Windeseile ein Jahr. In dieser Zeit machte das unglückliche kleine Paket mit unseren drei Manuskripten die Runde zu einer Reihe von Verlegern und wurde ein übers andere Mal abgelehnt. Emily schien angesichts dieses Mangels an Interesse an unseren Werken den Mut zu verlieren, Anne jedoch nicht. Sie begann ein neues Buch zu schreiben. Wie zuvor trafen wir jeden Abend zusammen, um uns darüber auszutauschen, woran wir gerade arbeiteten.
    Eines Abends mitten im Winter, als ich das neueste Kapitel meines halb vollendeten Manuskripts vorlas, sagte Emily mit für sie ungewohnter Begeisterung: »Das ist sehr gut, Charlotte. Ich finde, es ist das Beste, was du je geschrieben hast. Es ist so geheimnisvoll spannend, dass ich es kaum abwarten kann, das nächste Kapitel zu hören.«
    »Mir gefällt es auch sehr«, sagte Anne ruhig. »Jane ist so lebensnah; all meine Gedanken sind bei ihr. Was mir jedoch ein wenig Sorge bereitet, ist die Art und Weise, wie du in diesem Roman die Religion darstellst. Manchmal scheint es mir gar, als wolltest du alle Moral abschaffen.«
    »Ich nehme keinen Standpunkt zu Moralfragen ein. Es ist einfach nur eine Geschichte.«
    »Aber indem du Mr. Rochester zu deinem Helden machst«, beharrte Anne, »scheinst du doch gewisse niedrige Eigenschaften zu verherrlichen. Er ist ein sehr herrischer Mann, der in der Vergangenheit viele Mätressen hatte, und er hat ein uneheliches Kind.«
    »Sei doch nicht so zimperlich, Anne«, wandte Emily ein. »Ich liebe Mr. Rochester. Siehst du denn nicht, dass er in allem die Verkörperung von Charlottes angebetetem Herzog von Zamorna ist? Genau diese
niederen
Eigenschaften haben doch früher den Herzog so lebendig und interessant gemacht, und ich finde es auch heute noch genauso faszinierend, etwas darüber zu lesen.« Zu mir gewandt, fügte sie noch hinzu: »Es belustigt mich jedoch, dass du Mr. Rochester als einen kleinen, dunklen, jähzornigen und keineswegs attraktiven Mann beschreibst. Das und seine Vorliebe für Zigarren legen doch eher eine Ähnlichkeit mit Monsieur Héger als mit deinem Herzog nahe.«
    Ich errötete. »Ich nehme an, ich habe mich bei Mr. Rochesters
äußerer
Erscheinung ein wenig von Monsieur Héger leiten lassen.«
    Alle Geschichten, die ich in meiner Jugend geschrieben hatte, trugen nun auf irgendeine Weise zu meinem neuen Werk bei, und meine Schwestern

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