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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Eyre
zu schreiben.

DREIZEHN
    Die ersten Kapitel von
Jane Eyre
strömten wie im Rausch aus mir heraus. Während ich in den nächsten fünf Wochen darauf wartete, dass sich mein Vater von seiner Operation erholte, schrieb ich den ganzen Tag lang, Tag für Tag, und auch die meisten Nächte hindurch. Es war das erste Mal, dass ich aus dem Blickwinkel einer Frau erzählt hatte. Und ich spürte, dass ich genau das Richtige tat.
    Die Isolation und äußerste Einsamkeit, die ich als Gouvernante erduldet hatte, floss nun in meine Beschreibung von Janes Kindertagen ein, als sie unerwünscht und von den Reeds nicht geliebt in Gateshead ihr Dasein fristete. Ich ließ mein Leben in der Schule für Pfarrerstöchter erneut auferstehen, und in der Gestalt von Janes engelsgleicher, aber todgeweihter Freundin Helen Burns beschwor ich die Erinnerung an meine liebenswerte, geduldige Schwester wieder herauf. Vielleicht lag es an der zutiefst persönlichen Natur dieser Erinnerungen, die auch noch mit meinem schrecklichen Schmerz und Groll über den Tod meiner Schwestern verbunden waren, dass ich
Jane Eyre
mit einem Eifer schrieb, den ich nie zuvor bei irgendeiner meiner literarischen Bemühungen verspürt hatte. Ich schrieb, als hinge mein Leben davon ab. Ich schrieb, um all den Gefühlen, die sich seit Jahren in meiner Seele aufgestaut hatten, Ausdruck zu verleihen. Jedes Wort, das ich zu Papier brachte, erschien mir wirklich und wahrhaftig – und das war es auch, denn tatsächliche Begebenheiten standen dahinter. Ich hatte das Gefühl, nach dem Diktat einer überirdischen Zauberkraft zu schreiben.
    Während ich damit beschäftigt war, verbesserte sich zumeiner großen Freude der Gesundheitszustand meines Vaters von Tag zu Tag. Der Chirurg brachte seine Zufriedenheit mit dem Erfolg des Eingriffs zum Ausdruck und versicherte uns, dass Papa seine Sehkraft auf diesem einen Auge in vollem Umfang zurückerlangen würde. Schon bald würde er wieder lesen und schreiben können.
    Ende September kehrten wir voller Hoffnung nach Hause zurück. Zwei Monate später hatte sich Papa so weit erholt, dass er seine Pflichten wieder übernehmen konnte. Die ganze Zeit über schrieb ich wie besessen. Andere Erinnerungen und Ereignisse aus meinem Leben, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, hielten Einzug in meinen Roman. Thornfield Hall wurde eine Mischung aus North Lees Hall und Rydings, dem Zuhause aus Ellen Nusseys Kindheit. Meine Faszination für Dachgeschosse und ihre geheimnisvollen Bewohner entwickelte sich zu einem zentralen Thema, und zudem wurde alles mit Geschichten von den Westindischen Inseln ausgeschmückt, die mir Mellany Hale erzählt, eine Freundin aus der Schule für Pfarrerstöchter, die einmal in dieser exotischen Umgebung gelebt hatte.
    Das ruhige, bescheidene Dasein, das meine Schwestern und ich führten, spiegelte sich im Leben von Diana und Mary Rivers und Jane in Moor House wider; und die treue Bedienstete Hannah im Haushalt der Rivers war ein Abbild unserer Tabby. Viele der inneren Konflikte, mit denen sich meine Heldinnen in den Geschichten aus meiner Jugend quälten, fanden ein neues Zuhause in der Erzählung über Jane – desgleichen diente ein schrecklicher Unfall, der sich in jenem Herbst in unserem Haushalt ereignete, als Anregung zu einem ähnlichen Unglück, das Jane in die Lage versetzte, Mr. Rochester aus höchster Gefahr zu retten.
    Das Unglück ereignete sich an einem Nachmittag AnfangNovember. Papa war außer Haus. Meine Schwestern und ich waren gerade nach einem Spaziergang über das Moor mit den Hunden ins Pfarrhaus zurückgekehrt. Kaum war Anne die Treppe hinaufgegangen, als wir einen Schrei und ein Klirren hörten. Höchst verstört eilten Emily und ich ihr nach, weil wir beinahe sofort auch Brandgeruch bemerkt hatten. Als wir den oberen Treppenabsatz erreichten, sah ich blauen Rauch, der in einer Wolke aus Branwells Zimmer wallte.
    »Branwells Bettlaken stehen in Flammen!«, rief Anne verzweifelt von der Tür her. »Er wacht einfach nicht auf!«
    Augenblicke später waren wir alle im Zimmer, in dem es stickig und dunkel war. Große Flammen züngelten an den Vorhängen empor, die rings um Branwells Bett drapiert waren, und hatten bereits auf seine Bettdecke und die Laken übergegriffen. Mitten in all der Hitze und dem Feuer lag Branwell reglos ausgestreckt in seiner üblichen nachmittäglichen Benommenheit. Der Wasserkrug lag in Scherben auf dem Boden. Ich vermutete, dass Anne den Inhalt in die Flammen

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