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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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in der Endfassung nicht übernommen worden.
    Noch beunruhigender war jedoch die Art und Weise, wie die Bücher von den Kritikern besprochen wurden. Die Rezension von
Sturmhöhe
im
Atlas
im Januar war so abfällig, dass ich kaum wagte, sie Emily zu zeigen. Doch sie reagierte nur mit einem verächtlichen Lachen darauf.
    »›In der gesamten Riege der
dramatis personae
gibt es keine einzige, die nicht unglaublich abscheulich und durch und durch verachtenswert ist‹«, las Emily an einem verschneiten Nachmittag vor, während sie auf dem Teppich vor dem Kamin lag und Keeper sich träge neben ihr ausgestreckt hatte. »Oh! Ich wusste, dass ich mein Buch niemals zur Veröffentlichung hätte anbieten sollen.« Sie schleuderte mir die Zeitschrift angewidert hin.
    »Die
Britannia
hat
Sturmhöhe
gepriesen«, sagte ich. »Dort stand, dass dein Stil eine ›originelle Energie‹ hat.«
    »Es stand aber auch da, dass es schien, als sei das Werk›einem Geist entsprungen, der nur auf eine beschränkte Erfahrung zurückblicken kann‹«, erwiderte Emily.
    »Ihr müsst zugeben, dass das sicherlich stimmt«, sagte Anne, die auf dem Sofa saß und pflichtbewusst nähte, während Flossy neben ihr schlummerte. »Keine von uns hat wirklich viel Lebenserfahrung.«
    »Was ist schon Erfahrung verglichen mit Phantasie?«, rief Emily. »Und warum beschwert man sich immer wieder darüber, dass die Geschichte weder Moral noch Nutzen hat? Muss denn jedes Buch eine Moral haben? Liegt nicht schon ein Wert darin, die verrohende Gewalt und die Auswirkungen ungezügelter Leidenschaften zu zeigen?«
    »Aber sicher, und andere Kritiker haben das auch gesagt«, antwortete ich. »Hast du schon die Rezension in
Douglas Jerrold’s Weekly
vergessen?«
    »Der Rezensent hat
Sturmhöhe
als ein seltsames Buch bezeichnet, das jeden Kritiker verwirrt«, antwortete Emily bissig.
    »Aber er hat
auch
gesagt«, zitierte ich, »dass es ›unmöglich sei, dieses Buch anzufangen und nicht zu Ende zu lesen. Wir empfehlen unseren Lesern, die Romane lieben, dringend, sich diese Geschichte zu besorgen, denn wir können ihnen versprechen, dass sie dergleichen noch nie gelesen haben.‹«
    »Das kann ich wohl kaum ein Lob nennen«, spottete Emily.
    »Du solltest dich freuen, Emily, dass dein Buch überhaupt Aufmerksamkeit gefunden hat«, stellte Anne ruhig fest.
    Ich schaute Anne mit leisem Schmerz an. Die Presse hatte Annes Buch beinahe völlig übersehen. Die wenigen Kritiker, die
Agnes Grey
überhaupt erwähnten, merkten lediglich an, dass ihm die Wucht von
Sturmhöh e
fehle, es aber »angenehmer in Thema und Stil« sei. »Wenn ich es recht bedenke«, fügte ich tröstend hinzu, »war es vielleicht nicht die beste Idee, eureWerke gemeinsam vorzulegen, da es zwei so sehr unterschiedliche Geschichten sind.«
    »Die Kritiker haben keine Gewalt über mich«, erwiderte Anne resolut. »Ich habe mein Herzblut in die Geschichte einfließen lassen. Nur darauf kommt es an. In Gedanken beschäftige ich mich bereits mit meinem neuen Buch.«
    »Ich sage immer noch, dass
Agnes Grey,
wenn es allein veröffentlicht worden wäre, wahrscheinlich größere Wertschätzung erfahren hätte, da es doch eine so zarte und liebenswürdige Geschichte ist. Emilys ungestüme und dramatischere Geschichte hat es wohl leider ein wenig in den Schatten gestellt.«
    »Unsere Romane wurden
beide
von deinem Buch überschattet, Charlotte«, sagte Emily schlicht. »
Jane Eyre
ist der Liebling der Kritiker und Leser gleichermaßen. Niemand findet daran etwas auszusetzen.«
    »Das stimmt nicht«, erwiderte ich – aber ehe ich weitersprechen konnte, erhob sich Emily auf die Knie, kam zu mir herübergerutscht, ergriff meine Hände und schaute mich mit tiefer Zuneigung an.
    »Bitte, Charlotte, lass dir durch die jämmerliche Aufnahme, die unsere beiden Werke gefunden haben, nicht die Freude an
deinem
Triumph verderben.
Jane Eyre
ist ein wunderbares Buch, und wir sind beide sehr stolz auf dich.«
     
    Im Gegensatz zu den Kritikern war Papa – nachdem er erfahren hatte, dass jede seiner drei Töchter ein Buch veröffentlicht hatte – uneingeschränkt in seiner Begeisterung, seinem Entzücken und seinem Lob.
    »Ich habe dergleichen schon die ganze Zeit vermutet«, sagte er mit einem Lachen, als wir ihm diese Neuigkeit mitteilten. »Aber meine Vermutungen haben nie konkrete Gestalt angenommen.Ich wusste nur eines mit Gewissheit – dass ihr Mädchen ständig geschrieben habt, und zwar keine Briefe.«
    Trotz unserer

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