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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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schrecklichen Traum hatte! Nun kam eine große Starre über mich. Einige Augenblicke lang war ich zu bestürzt, um auch nur denken oder ein Wort sprechen zu können. »Ist es möglich, dass Mr. Robinson sich irrt? Bist du sicher, dass diese Anschuldigung den Tatsachen entspricht?«
    »Ich wünschte, sie wäre nicht wahr. Aber es stimmt alles, Charlotte. Branwell hat es zugegeben. Er behauptet, Mrs. Robinson wäre bei dieser Affäre von Anfang an die treibende Kraft gewesen.«
    »Glaubst du ihm?«
    »Ja. Wir kennen beide Branwell nur zu gut, mit seinen wirrenPhantasien über Northangerland. Da würde er doch nicht lügen und nur behaupten, man hätte ihn verführt.«
    Northangerland war die Hauptperson in Branwells Geschichten, eine Mischung aus Bonaparte, Satan und dem typischen Byron-Helden, eine schurkische Gestalt, mit der sich mein Bruder so sehr identifizierte, dass er sogar die meisten seiner gedruckten Gedichte unter diesem Namen veröffentlicht hatte.
    »Ich denke, da hast du recht. In seinen Augen wäre es eine wesentlich bedeutendere Errungenschaft gewesen, wenn er sich hätte brüsten können, die Dame des Hauses für sich begeistert und so in sein Bett gelockt zu haben.«
    »Er erzählt, Mrs. Robinson sei schon wenige Monate nach seiner Ankunft in Thorp Green an ihn herangetreten. Branwell bewunderte sie, und mehrere Male war er tief verstört darüber, wie gefühllos ihr Mann sie behandelte. Du weißt doch, dass unser Bruder nie einen Hehl aus seinen Gefühlen machen konnte.«
    »Nein, wahrhaftig nicht.«
    »Als er dann seine Empfindungen für sie offen und unbedacht zum Ausdruck brachte, gestand sie ihm zu seiner Überraschung auch ihre Liebe. Am Ende des ersten Sommers hatte sie ihn dazu verleitet … die … die Sache bis zum Äußersten zu treiben. Sie trafen sich heimlich im Haus oder nicht so heimlich, wenn Mr. Robinson verreist war. Er behauptet, sie heiß und innig zu lieben. So wie er redet, scheint es, als wäre sie das Einzige, was für ihn im Leben noch zählt.«
    »Oh! Das ist furchtbar! Aber es erklärt Branwells seltsames, reizbares Verhalten in den letzten Jahren. Er schien nur äußerst ungern in den Ferien zu uns nach Hause zu kommen, und wenn er hier war, schwankten seine Gefühle so sehr von himmelhoch jauchzend bis zur finstersten Niedergeschlagenheit,dass ich es einfach nicht begreifen konnte. Mehr als einmal meinte ich, in seinen Augen den Ausdruck verborgener Schuldgefühle zu sehen, aber er hat das immer abgestritten.«
    »Mir ging es genauso.«
    »Er ist besinnungslos aufs Bett gesunken«, verkündete Emily, die ins Zimmer kam und sich schwer auf den Sessel neben uns fallen ließ. »Wenn wir Glück haben, hören wir bis zum Morgen keinen Sterbenswörtchen mehr von ihm.«
    »Anne«, fragte ich, »wie und wann hast du die Wahrheit über diese Geschichte erfahren?«
    »Letzten Monat ging ich eines Nachmittags in den Wäldern hinter Thorp Green spazieren und traf dort Branwell, der unter einem Baum saß und etwas in ein Notizbuch schrieb. Als ich ihn fragte, was er da schriebe, errötete er. Ich wollte nicht weiter in ihn dringen, aber dann streckte er mir das Notizbuch hin und sagte, ich solle es ruhig lesen. Es war voller Gedichte, die er verfasst hatte, die meisten leidenschaftliche Liebesgedichte an Mrs. Robinson. Ich war schockiert und entsetzt. Er lachte nur und sagte: ›Sei nicht so prüde.‹ Dann erzählte er mir die ganze Geschichte. Ich wäre vor Scham beinahe vergangen. Ich wusste, dass ich keinen Augenblick länger in diesem Haus weilen konnte.«
    »Ich kann es dir nicht verübeln, dass du fortgegangen bist«, sagte ich. »Ich hätte das auch gemacht.«
    »Oh, Charlotte! In gewisser Weise kann ich nicht umhin, mir ein wenig die Schuld dafür zuzuschreiben, was geschehen ist.«
    »Wie meinst du das?«
    Anne zögerte. In den vergangenen Minuten hatte sie sich wortreicher geäußert und mehr Gefühl gezeigt als in jedem anderen Gespräch, das wir in den vergangenen fünf Jahren miteinander geführt hatten. Ich fürchtete, sie würde sich nunwieder in ihr Schneckenhaus zurückziehen. Aber sie sprach weiter.
    »Ich war in Thorp Green schon sehr lange unglücklich, aber nicht nur, weil ich mit meinen Pflichten als Gouvernante so unzufrieden war. Ich habe dort viele andere unangenehme und ungeheuerliche Einblicke in die menschliche Natur bekommen, die … die mich sehr bestürzt haben. Da ich nun einmal einiges wusste … oder vermutete, hätte ich Branwell niemals für eine

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