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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Miene verbirgt sie irgendwas vor uns.‹«
    »Ich bin nicht traurig, und ich verberge nichts«, beharrte ich, aber mir stieg die Röte ins Gesicht, und ich spürte, wie Emilys fragender Blick auf mir ruhte.
    »Und du bist
doch
traurig«, lallte er. »Ich kann es an deinen Augen ablesen. Und ich sollte es wissen. Ich weiß alles übers Traurigsein.« Zu meiner Bestürzung verzog sich nun plötzlich sein Gesicht, und er brach in Tränen aus. »O Gott! Was soll ich nur machen? Dieses Elend – dieses Leid – diese Verzweiflung!« Er sackte auf dem Boden auf die Knie und rief: »Wie soll ich ohne mein Leben weiter existieren? Wie soll ich es ertragen?«
    Angesichts des unberechenbaren Verhaltens meines Bruders war ich so benommen, dass ich nur in regloser Verzweiflung dastehen konnte. Emily ging zu ihm hin. Schon bald brachte sie ihn durch schmeichelnde Worte dazu, sich, immer noch weinend, wieder zu erheben, und führte ihn aus dem Zimmer. Ich wusste, dass sie ihn nun nach oben geleiten und ins Bett bringen würde, wie sie es in der Vergangenheit so oft getan hatte. In der Totenstille, die sich nun herabsenkte, stieß Papa einen kleinen Seufzer aus. Er stand gleich bei der Tür, und seine hageren Züge waren von Trauer und Enttäuschung gezeichnet. Ich schlang meine Arme um seine magere Gestalt und hielt ihn fest an mich gedrückt. Mir fehlten die Worte. »Ich bin wieder da, Papa«, war alles, was ich herausbrachte.
    »Ich bin froh darüber, mein Kind«, antwortete er mit gebrochener Stimme.
    »Lass mich dich wieder zu Bett begleiten«, bot ich an, aber er lehnte mit bestimmter Handbewegung ab und schlurfte aus dem Zimmer.
    Kaum war Papa gegangen, da brach Anne in Tränen aus. Auch meine Sorgen, die ich beinahe eine Woche unterdrückt hatte, stiegen glühend heiß in mir auf, und Ströme von Tränen ergossen sich aus meinen Augen.
    Wenn Branwell früher betrunken gewesen war, hatten meine Schwestern und ich stets versucht, eine starke, gemeinsame Front zu bilden und vorzugeben, alles wäre gut, sobald das Schlimmste vorüber war, obwohl das ganz offensichtlich nicht stimmte. Diesmal jedoch war ich zu entsetzt, um noch gute Miene zum bösen Spiel zu machen. In Annes Blick konnte ich lesen, dass sie genauso wenig dazu in der Lage war. Wir fielen einander in die Arme, hielten uns fest umschlungen und ließen einige Minuten lang unseren Tränen freien Lauf. Endlich trockneten wir uns die Augen und sanken auf dem Sofa nieder, wo ich langsam meine Haltung wiedergewann.
    »Was um alles in der Welt ist geschehen?«, fragte ich, während ich die Handschuhe auszog und die Haube absetzte. »Warum ist Branwell so verzweifelt?«
    »Man hat ihn aus seiner Stellung entlassen.«
    »Entlassen? Aber warum? Du hast doch gesagt, dass Mrs. Robinson große Stücke auf ihn hält.«
    »Das hat sie auch. Oh, Charlotte! Ich komme mir so naiv und dumm vor. Beinahe vom ersten Tag an, den er in Thorp Green verbracht hat, ist mir aufgefallen, dass er sofort der Liebling des gesamten Haushalts war. Ich war stolz auf ihn und entzückt darüber. Immer wieder betonte Mrs. Robinson, was er doch für ein bemerkenswerter junger Mann sei. Ich dachte, sie bewunderte und schätzte ihn wegen seiner Fertigkeiten als Hauslehrer und Künstler. Bis letzten Monat hätte ich niemals gedacht – hätte ich mir nie träumen lassen, dass sie … dass er … so etwas zu tun vermochte, etwas so … so …« Annes Stimme bebte, und neue Tränen rannen ihr über die Wangen.
    »Was? Was hat Branwell getan?«
    »Er hatte seit drei Jahren eine Affäre mit Mrs. Robinson!«

SECHS
    Ich starrte Anne schockiert und verwirrt an. »Eine Affäre? Das kannst du unmöglich meinen. Sie ist eine verheiratete Frau und so viel älter als er. Sie haben doch sicher nicht …«
    »O doch. Stell dir das schlechteste und verderbteste Verhalten vor, Charlotte, und das haben sie sich zu Schulden kommen lassen. Am Donnerstag vor einer Woche erhielt Branwell einen Brief von Reverend Edmund Robinson, in dem er seine Empörung über die Situation zum Ausdruck brachte und ihm in aller Strenge mitteilte, er hätte Branwells Verfehlung entdeckt. Er verlangte in dem Schreiben von Branwell, sofort und für immer jegliche Verbindung mit sämtlichen Mitgliedern seiner Familie abzubrechen. Sonst würde er alles an die Öffentlichkeit bringen.«
    »Du sagtest, das war am Donnerstag vor einer Woche? Am siebzehnten?«
    »Ja.«
    Liebes Tagebuch, es war die gleiche Donnerstagnacht, in der ich meinen

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