Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
glaube, er hat mir das Herz gebrochen«, erklärte Bridget und seufzte. »Ich versuche, andere Männer zu mögen, aber ganz gleich, wie freundlich und anständig einer erscheint, ich bin doch stets voller Furcht. Ich wittere nun überall Verrat und Betrug.«
    Als wir die Bierwirtschaft der Malones am Rand von Haworth erreichten, verabschiedeten Anne und ich uns mit einer Umarmung von unseren Weggefährtinnen und luden sie ein, jederzeit nachmittags einmal zum Tee ins Pfarrhaus zu kommen. Bridget lehnte dankend ab. Sie meinte, sie wolle sich nicht zu weit vom Haus entfernen, da sie nicht Gefahr laufen wollte,
diesen Herrn
noch einmal zu treffen.
    »Oh!«, sagte ich, als Anne und ich den steilen Anstieg die Hauptstraße hinaufgingen. »Ich konnte Mr. Nicholls schon vorher nicht leiden, aber nun ist er in meiner Achtung völlig gesunken.«
    »Ich würde ihn nicht so rasch verdammen«, erwiderte Anne. »Es gibt vielleicht für alles eine Erklärung – ein Missverständnis zwischen ihm und Miss Malone.«
    »Was für ein Missverständnis sollte das sein?«
    »Ich weiß es nicht – aber es fällt mir schwer, zu glauben, dass Mr. Nicholls sich wissentlich so kalt und grausam verhalten hat. Im Herzen ist er ein guter Mensch.«
    »Mir will es nicht gelingen, diesen Keim der Güte in Mr. Nicholls zu entdecken, den du ihm zuschreibst, Anne. Sähe Mr. Nicholls eine junge Frau und einen räudigen Hund blutend auf der Straße liegen, so würde er sich zuerst um den Hund kümmern, ehe er auch nur daran dächte, dem Menschenwesen zu helfen. Ich jedenfalls wäre nicht traurig, wenn ich ihn nie wieder zu Gesicht bekäme.«
     
    Zwei Abende später saßen Emily, Anne und ich hinter verschlossener Tür im Esszimmer und hatte unsere ganze Sammlung von ausgewählten Gedichten vor uns auf dem Tisch ausgebreitete, als es an der Tür klingelte. Ich wusste, dass sich Martha darum kümmern würde, schenkte dem Klingeln also keine große Aufmerksamkeit.
    »Ich finde, dein bestes Gedicht ist
Kalt in der Erde, und tiefer Schnee über dir
«, sagte ich zu Emily. »Es bricht mir das Herz, wenn ich bedenke, dass der Erzähler fünfzehn Jahre ohne seine Geliebte schmachten musste. Aber trotzdem braucht das Gedicht noch einen Titel.«
    »Ich habe mich entschlossen, es
Erinnerung
zu nennen«, antwortete Emily. »Ich habe jetzt Titel für alle Gedichte, und ichbin mit der Überarbeitung fertig. Doch bis wir nicht mehr Papier haben, kann ich nicht weitermachen.«
    Plötzlich klopfte es an die Zimmertür. Ich öffnete sie einen Spalt weit und schaute auf den Flur, wo Martha wartete. »Ja?«
    »Mr. Nicholls ist hier, Madam.« (Martha nannte mich nun schon viele Jahre Madam und nicht Miss; ich nehme an, es war ein Zeichen des Respekts, weil ich die älteste Tochter im Hause war.)
    »Bitte führe Mr. Nicholls in Papas Studierzimmer«, antwortete ich kurzerhand. Ich wollte gerade die Tür wieder schließen, als Martha einwarf: »Er sagt, er sei gekommen, um Sie zu sehen, Madam.«
    »Mich zu sehen? Nun, ich wünsche ihn aber nicht zu sehen. Sag ihm, dass ich nicht zu Hause bin.«
    »Ich habe ihn schon hereingebeten, Madam«, flüsterte Martha leise, aber eindringlich, während ihre Augen zum Flur wanderten. »Ich habe gesagt, dass Sie hier sind. Er behauptet, er hätte etwas für Sie.«
    »Was könnte er mir denn zu geben haben?«
    »Ich weiß es nicht, aber er besteht darauf, es Ihnen persönlich zu überreichen. Er wartet draußen im Flur bei der Haustür.«
    »O gut. Sag ihm, er möchte sich einen Augenblick gedulden. Ich bin gleich da.« Ich schloss die Tür, holte tief Luft und stählte mich für die Begegnung, entschlossen, Haltung zu wahren.
    »Wer ist es?«, fragte Anne und schaute von ihrer Arbeit am Esstisch auf.
    »Mr. Nicholls. Er hat mir anscheinend etwas mitgebracht.«
    »Wie nett«, sagte Anne.
    »Du denkst immer, dass alle auf dieser Welt nett sind«, merkte Emily an. Zu mir gewandt, fügte sie hinzu: »Müssen wir jetzt alles wegräumen?«
    »Nein, ich werde ihn abwimmeln.«
    Ich ging in den Flur hinaus, nachdem ich die Tür fest hinter mir verschlossen hatte. Mr. Nicholls stand im Eingang und hielt ein Paket in den Händen, das in Packpapier eingeschlagen und mit Schnur zugebunden war. Es hatte etwa die Größe und Form eines recht ansehnlichen Buchs. Er schaute mir geradewegs in die Augen, als ich eilig auf ihn zuschritt und vor ihm stehen blieb.
    »Miss Brontë, ich habe neulich Ihre Notlage bemerkt, als der Schreibwarenladen in Keighley

Weitere Kostenlose Bücher