Die Geheimnisse der Therapeuten
der Erfindung der Schrift mehr als 3000 Jahre vor unserer Zeit. Der Homo sapiens ist das einzige Geschöpf, das über eine artikulierte Sprache statt über Schreien und Knurren verfügt, sodass er Gelerntes, Ideen und Emotionen weitergeben kann.
Die Legende von Gilgamesch
Eines der ältesten Zeugnisse der menschlichen Geschichte, was das Problem der Vergänglichkeit angeht, ist die Legende von Gilgamesch, dem König von Mesopotamien. Gilgamesch hält sich für unsterblich und wird sich seiner Vergänglichkeit erst bewusst, als sein Bruder stirbt. Da er seinen eigenen Tod fürchtet, macht er sich auf die Suche nach etwas, das ihm ewiges Leben schenken könnte. Erst nach einer langen Irrfahrt findet er sich mit der Idee ab, dass er sterben wird. Dieses Epos unterstreicht die Tatsache, dass der Mensch die Erfahrung des Todes nicht an sich selbst machen kann; der Tod wird für ihn anhand der Vergänglichkeit anderer begreiflich. Dann wird ihm angstvoll bewusst, dass er dazu bestimmt ist zu sterben. Doch er stellt sich vor, dass ein Teil von ihm, die Seele oder der Geist, nach dem körperlichen Tod weiterlebt.
Bei den Ãgyptern erlebte der Totenkult für die Pharaonen, Königinnen und hohen politischen Würdenträger seine Blüte. Aber auch alle gewöhnlichen Ãgypter hatten ihr Grab. Man musste das Ãberleben in der anderen Welt sicherstellen, deshalb die Mumifizierung, die den Körper intakt halten sollte. Die langen Gänge, die zur Krypta oder den Gräbern führen, verzierte man mit Fresken, die vom Leben des Verstorbenen und seinen guten Werken erzählten. Das Grabmal enthielt zahlreiche Opfergaben und Gegenstände, die ihn in sein neues Leben geleiten sollten. Bei den Griechen und Römern tauchten die ersten philosophischen Debatten über den Tod auf, und dabei kristallisierten sich grob zwei entgegengesetzte Positionen heraus:
â Platon (428 bis 348 v. Chr.) zufolge besteht der Mensch aus zwei Teilen: dem Körper, der zum Sterben bestimmt ist, und der unsterblichen und unzerstörbaren Seele, die in die Hölle kommt oder in den Himmel, das Reich der Götter, eingeht.
â Andere groÃe griechische Denker â Epiktet, Epikur und Demokrit â waren hingegen die Ersten, die die heutigen wissenschaftlichen Tatsachen mit genialer Intuition vorwegnahmen. Sie beschrieben schon damals eine bestimmte Anzahl von Fakten, die mit den Entdeckungen der modernen Neurobiologie übereinstimmen. Epikur sagt: »Das Leben fügt sich in den allgemeinen Kreislauf der Entwicklung des Kosmos und der Verwandlung der Materie ein. Wenn man lebt, ist der Tod nicht da; wenn man tot ist, ist das Leben nicht mehr da.« Man braucht daher nicht zu fürchten, was nicht da ist, denn bei unserem Tod verschwinden unser Körper und unser Geist, die sich aus Atomen und Leere zusammensetzen, und gehen wieder im Universum auf.
Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist eine Illusion, denn Unsterblichkeit ist unmöglich. Also muss man diese ungeheure Chance zu leben so gut wie möglich nutzen und sie nicht egoistisch gebrauchen. Was von uns bleiben wird, ist nicht unsere Hülle, die dazu bestimmt ist, zu vergehen, sondern das, was wir getan haben oder als Erinnerung hinterlassen. Man soll deshalb seelische und emotionale Gelassenheit erwerben mit dem Ziel, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Die Römer Lukrez und Seneca griffen diese Ansichten unter dem Namen der Stoa oder des Stoizismus wieder auf: Das menschliche Glück liegt in tugendhafter Askese und im freien Gebrauch der Vernunft.
Die meisten Griechen und Römer waren Polytheisten: Unter der Erde lag die Hölle, die von der Welt der Lebenden durch einen furchterregenden Fluss, den Styx, getrennt war, und der Himmel galt als das Reich der Götter. Die drei monotheistischen Religionen â das Judentum, das Christentum und der Islam â haben diese Ideen wieder aufgegriffen in Form der Auferstehung des Fleisches, der Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele und der Aussicht auf das Paradies für jene, deren Lebenswandel vorbildlich war, und der Hölle als Bestrafung für jene, die sich schlecht aufgeführt hatten.
Ganz anders sind die östlichen Vorstellungen, mit denen ich mich viel verwandter fühle als mit den monotheistischen. Sie kennen keinen Gott im westlichen Sinn des Wortes, sondern eine Ethik von einem harmonischen Leben und weise
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