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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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ob eine Meute wütender Bauern das Auto mit Mistgabeln und Baseballschlägern bearbeitete. Mehrere Schüsse fielen.
    O Gott,
dachte Lucinda,
Stillmans Leibwächter schießen auf irgendwas. Ist einer der Mantikore hier? Oder Alamu?
Der nächste Schuss kam wieder aus der Richtung des Zimmerfensters. Lucinda konnte nicht sagen, ob von drinnen oder draußen, aber Kingaree fiel auf Hände und Knie. Ging er in Deckung oder war er getroffen? Sie wusste es nicht, aber sie ergriff die Gelegenheit.
    Auf allen vieren krabbelte sie wie besessen vom Haus weg in die Dunkelheit, bis sie es wagte, sich aufzurichten und über eine halb unter Wasser stehende ungemähte Wiese vor den Schüssen und vor Stillmans Leibwächtern und dem Angreifer davonzurennen, so schnell sie konnte. Das hohe Gras klatschte ihr gegen die Beine.
    Sie war noch nicht weit gekommen, als sie im Kies die knirschenden Schritte von Jackson Kingaree hörte, der versuchte, ihr den Weg abzuschneiden. Im offenen Gelände konnte sie |318| ihm schwerlich entkommen, deshalb lief sie zwischen zwei wenig benutzten Trockenschuppen hindurch auf die Farmstraße zu, die zum Reptilienstall führte.
    »Simos! Ragnar! Hilfe!«, schrie sie. Stillsein konnte ihr nichts mehr nutzen, denn der mörderische Kingaree war dicht hinter ihr. »Helft mir!« Doch die einzige Antwort waren Krachen, gellende Schreie und Tiergebrumm von der dunklen Auffahrt hinter ihr. Das Ungetüm, das Stillmans Leibwächter angegriffen hatte, zerlegte jetzt anscheinend sein teuer gepanzertes Fahrzeug in Einzelteile. Obgleich Lucinda panische Angst hatte, musste sie doch kurz innerlich grinsen. Da hatte Stillman, was die Unverwüstlichkeit seines Autos anging, wohl mächtig übertrieben.
    Als sie zwischen den Schuppen hervorkam, erkannte Lucinda, dass sie die Entfernung falsch eingeschätzt hatte: Die Farmstraße bot ihr auf mehreren hundert Metern weder Schutz noch Deckung, und eine Hilfe war nirgends in Sicht. Von Kingaree verfolgt bog Lucinda ab und lief zu dem niedrigeren Zaun auf dem Damm, der den Kumish Creek in diesem Teil des Anwesens absperrte. Sie sprang am Maschendraht in die Höhe und kletterte mit der Kraft ihrer Verzweiflung hinauf. Kingaree kam langsam auf sie zu, denn er war sich jetzt sicher, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
    »Du weißt, dass ich mich im Nu über diesen Zaun schwingen kann, also komm wieder runter, Kleine. Ich würde dir nicht raten, mich richtig wütend zu machen.« Er blieb unmittelbar vor ihr stehen, als sie gerade ansetzte, ihr zweites Bein nachzuziehen. Seine Augen waren Schlitze, doch er bemühte sich zu lächeln. »Langsam. Wir brauchen uns gegenseitig. Du musst mir helfen, hier rauszukommen, weil ich nämlich von dieser ganzen Chose die Nase voll habe. Jack Kingaree denkt gar nicht daran, sich für dieses hinterhältige Needle-Aas abknallen |319| zu lassen. Also komm jetzt von diesem Zaun runter, dann können wir verhandeln.«
    »Nein.« Das Gewitter hatte ein wenig nachgelassen. In den Pausen zwischen dem Donner hörte Lucinda aus mehreren Richtungen unerklärliche Geräusche heranwehen, gedämpfte Schreie und das Kreischen verängstigter Tiere. Sie rutschte auf dem Zaun vorsichtig ein Stück weiter, um ihren Verfolger auf Abstand zu halten. Die Lichter auf der ganzen Farm waren immer noch aus, aber da der Mond hell genug schien, konnte sie Kingarees langes Gesicht und sein Messer erkennen, das er absichtlich so hielt, dass es gut sichtbar schimmerte. »Nein«, wiederholte sie lauter. »Ich komme nicht runter. Simos!«, schrie sie. »Ragnar! Es ist Kingaree! Er ist hier!«
    Der lange Mann lachte. »Die werden nicht kommen, und Angst habe ich vor denen schon gar nicht. Walkwell ist ein zäher Bursche, aber er wird sich von mir fernhalten … weil ich
dich
habe!« Beim letzten Wort tat er einen Schritt und sprang auf den Zaun. Lucinda versuchte, auf der anderen Seite herunterzuspringen, doch ein Fuß blieb in einer Drahtmasche hängen. Ehe sie ihn losreißen konnte, war der Mann in dem langen schwarzen Mantel schon so flink wie eine Spinne zu ihr hinaufgeklettert und griff nach ihrem Fuß. Seine Finger schlossen sich um den Schuh, doch sie konnte gerade noch den Fuß herausziehen, das Bein hinüberschwingen und abspringen. Sie schleuderte sich den anderen Schuh vom Fuß und lief neben dem dunklen Fluss auf dem Damm davon. Kingaree schwang sich seinerseits über den Zaun und trabte ohne Eile hinter ihr her. »Du kannst mir nicht entkommen. Ich bin doppelt so groß

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