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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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sie schon seinen restlichen Körper umschlungen hatten, und bevor er irgendetwas machen konnte, war seine Hand an die nackte Eisenstange gebunden.
    Er konnte sich nicht bewegen. Er war von den Füßen bis zu |352| den Schultern gelähmt und hielt einen elektrischen Leiter in der Hand. »Nein!«, schrie er. »Ich bin gefangen! Hilfe! Hilf mir doch jemand! Ich will nicht sterben!«
    Aber Colin Needles Schreie wurden vom Donner übertönt. Die nächste Wolkenwand rückte von den fernen Hügeln gegen die Farm an und schoss neue Blitze ab.

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    39
SNILOCK RETTUM
    I n dem Punkt war sich Tyler sicher gewesen: Wenn sie die Küche fanden – oder die Ehcük, wie sie hier im Spiegelhaus ausgeschildert war –, hatten sie gewonnen, und er schien recht zu behalten.
    Eine der vielen Türen des großen Raums öffnete sich einen Spalt breit, aber sonst tat sich lange nichts. Tyler stupste Steve an. Da, endlich stahl sich eine dunkle Gestalt in die Küche, geduckt und in der immer wieder stockenden Art eines Spions, der durch feindliches Gelände schleicht. In ein langes schmutziges Tuch gehüllt, das vor Zeiten vielleicht einmal eine Tischdecke gewesen war, sah die Gestalt, die jetzt an eines der Regale huschte, ein wenig wie ein buckliges Gespenst aus. Doch da schoben sich zwei recht menschlich aussehende Hände aus |354| der Umhüllung und fingen an, in den Gläsern und Dosen zu wühlen.
    »Jetzt!«, sagte Tyler und stürmte in die Küche.
    Das seltsame Wesen hörte ihn kommen und fuhr erschrocken auf. Schreckensweite Augen starrten ihn aus dem Schatten an, dann floh es zur Tür, verhedderte sich aber mit den Beinen in der Decke, so dass es stolperte und beinahe hinfiel. Ein lautes »Huch!« erklang, dann eilte die Gestalt durch den Raum.
    »Halt!«, rief Tyler. »Halt, wir wollen dir helfen!« Doch die verschleierte Gestalt war schon fast zur hinteren Tür hinaus. Er musste einen großen Satz machen, sie packen und dann ein paar panische, aber harmlose Schläge einstecken, bevor die Gegenwehr nachließ. Dabei fiel ihr die Decke vom Kopf, und Tyler blickte in das entsetzte Gesicht der alten Frau, die er schon einmal gesehen hatte.
    »Grace!«, sagte er. »Tante Grace, ich bin’s! Wir haben uns voriges Jahr schon mal gesehen, weißt du noch? Du hast mich vor dem Banderschnapp gewarnt. Hab keine Angst, Grace.«
    Sie sah ihn an und schien ihm zuzuhören, versuchte aber weiterhin, sich von ihm loszumachen, als ob sie ihren Körper nicht ganz unter Kontrolle hätte. In dieser verstaubten Märchenumgebung wirkten die Sachen, die sie anhatte, für eine alte Dame eigenartig modern, so abgetragen und schmutzig sie waren. Grace war zwanzig Jahre zuvor verschwunden. Waren für sie hier in dieser Welt zwanzig Jahre vergangen oder viel mehr?
    Schließlich gab sie ihr Ringen und Winden auf. »Du bist … Grace?«, fragte sie.
    »Nein, nein, das bist du.« Er drehte sich Steve zu, der die Szene nervös von der Tür aus beobachtete. »Alles okay. So warst du auch damals. Hilf mir mit ihr.« Er wandte sich wieder an Grace. »Hab keine Angst. Das ist nur mein Freund Steve. Er |355| war hier auch mal gefangen. Er ist rausgekommen. Jetzt werden wir dafür sorgen, dass du auch rauskommst.«
    »Raus …?«, sagte sie langsam. »Was meinst du damit?« Sie sträubte sich nicht mehr, aber es machte den Eindruck, als könnte sie jeden Moment wieder anfangen. Was war, wenn sie schrie? Wenn die Käferwesen in diesem gespenstischen Spiegelbild der Tinkerfarm die lieben, guten Küchenhelferinnen waren, dann wollte er auf gar keinen Fall einer unangenehmeren Erscheinung begegnen wie etwa einem Spiegelmantikor.
    »Raus«, sagte er in möglichst begütigendem Ton. »Wir bringen dich dorthin zurück, wo du hergekommen bist, Grace. Erinnerst du dich noch an die Tinkerfarm? Die richtige Tinkerfarm, nicht dieses Niemandsland hier? An Gideon? Octavio?« Keiner der Namen rief eine Reaktion hervor, was ihn besorgt machte. Steve hatte eine Weile gebraucht, bis sein Gedächtnis wieder funktionierte. Vielleicht war sie zu lange hier gewesen. »Kannst du dich an gar niemand mehr erinnern?« Wer konnte ihr aus ihrer Zeit auf der Farm am ehesten im Gedächtnis geblieben sein? »An Walkwell? Aus Griechenland?«
    Sie stutzte, dann nickte sie bedächtig. »Er ist nett. Ja, ich erinnere mich an ihn. Er ist nett.«
    Erleichterung durchströmte Tyler. »Siehst du, er ist noch da. Er freut sich darauf, dich wiederzusehen, Grace. Und dein Mann genauso, Gideon.«
    Die Frau bekam

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