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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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zu konzentrieren.
Desta, kannst du mich hören? Ich bin hier. Hier!
Sie meinte zu fühlen, wie die Drachengedanken sie flüchtig streiften, ähnlich einem kurzen Aufflackern von Musik durch die Störgeräusche im Radio.
Desta?
    Möhrenmädchen …
Mit dem schwachen Ruf kam eine Art optischer Eindruck, sie meinte zu sehen, was die Drachin sah: Gestalten, die geduckt durch den Reptilienstall schlichen. Sie meinte, das schaurige Bellen zu hören, das die Mantikore beim Jagen machten. Aber etwas war merkwürdig. Wenn sie tatsächlich gewissermaßen durch Destas Augen schaute, dann schien diese von oben auf die Szene hinabzublicken, wie auf einem der Laufstege unter dem Dach des riesigen Gebäudes sitzend.
    Was machst du da oben?
Als Lucinda und Tyler verstoßen worden waren, waren Destas Flügel kaum stark genug gewesen, um sie vom Boden abzuheben.
Bist du dort hingeflogen?
    Ja. Gelbmann hat mich rausgelassen.
So nannte sie Ragnar wegen seiner weißsträhnigen blonden Haare.
    Schlau,
dachte Lucinda.
So ist sie sicherer. Die Mantikore können nicht fliegen.
Da kam ihr ein Gedanke.
Ist Gelbmann noch da?,
fragte sie.
    Brüllt. Läuft mit Stock. Kämpft mit bösen Tieren.
    All seiner Stärke und Tapferkeit zum Trotz war der Nordmann neulich am Tor nicht einmal gegen einen Mantikor angekommen |365| – was sollte er da gegen mehrere ausrichten?
Sind noch andere bei ihm?
    Narbengesicht und Mützenmänner.
    Das mussten Haneb und die drei Amigos sein. Desta versuchte immer, die fellbesetzten Mützen der Hirten zu stehlen. Sie hoffte, dass die Farmarbeiter die Mantikore auch allein abwehren konnten, denn sie brauchte Ragnar.
Bring Gelbmann zu mir,
sagte sie der Drachin.
    ?
Als Antwort kam nur Verwirrung zurück.
    Bring ihn mir, Desta. Du musst ihn mir bringen. Es ist wichtig!
    Nein, böse Tiere tun Desta weh. Nein!
Das Gefühl der Furcht in dem ganzen Gedankenwirrwarr war überdeutlich. Die junge Drachin hatte eine Todesangst vor den Mantikoren.
    Du musst. Ich brauche dich. Möhrenmädchen braucht dich.
    Nein.
Es war die trotzige, totale Weigerung eines Kindes.
Nein!
    In dem regennassen Garten am anderen Ende der Farm schlang Lucinda die Arme noch fester um Gideons hagere Brust und bemühte sich gleichzeitig, sich in den dunklen, ruhigen Punkt zu versenken, wo sie nicht nur mit der Drachin sprechen, sondern sie fühlen … und von ihr gefühlt werden konnte.
Du musst. Ich brauche dich. Wenn du es nicht tust, bekommst du nie wieder Möhren von mir.
    Doch keine Bestechung und keine Drohung konnte Desta dazu bewegen, ihren sicheren Sitz unter dem Dach des Reptilienstalls zu verlassen. Lucinda begriff, dass sie jetzt vorsätzlich tun musste, was sie vor einiger Zeit unabsichtlich getan hatte, als Desta das Armband zu stehlen versuchte.
    Desta,
warnte sie,
wenn du nicht tust, was ich dir sage, werde ich dich zwingen.
    Nein!
Sie war für logische Argumente nicht zugänglich. Lucinda konzentrierte sich auf sie, bis sie Destas Bewusstsein |366| empfinden konnte, Desta im Ganzen. Sie übte Druck auf dieses Bewusstsein aus und stellte sich sehr genau vor, wie es sich für Desta anfühlen würde, herunterzuspringen. Zuerst wollte sie ihr den Eindruck vermitteln, es würde sich gut anfühlen, wenn sie tat, was Lucinda wollte, aber das Jungtier war entweder zu verängstigt oder trotz seiner Jugend schon zu stark, um sich durch gutes Zureden beeinflussen zu lassen. Ein kaltes, trauriges Gefühl legte sich auf Lucinda, ein Gefühl purer Notwendigkeit.
    Es tut mir sehr leid,
dachte sie, dann sammelte sie sich und übte kräftigen Druck auf Destas Bewusstsein aus.
    Nein! Tut weh!
    Grauenhaft, es war einfach grauenhaft. Noch nie hatte Lucinda sich derart schuldig gefühlt. Es war, als bearbeitete man ein Pferd mit den Sporen, das schon sein Bestes gab, als versohlte man einem Mädchen den Hintern, das gar nicht wusste, was es getan hatte. Trotz ihrer ganzen anderen überwältigenden Empfindungen schämte sie sich unendlich für das, was sie da tat, aber es gab keine andere Möglichkeit, Gideon, Walkwell und Colin zu retten. Ihr blieb keine Zeit mehr.
    Lass los!
Es war ein lautloser Schrei des Schmerzes und des Verratenseins.
Möhrenmädchen böse!
    Hartnäckig bemüht, den Vorwurf des Verrats zu ignorieren, der über die Verbindung zwischen ihnen wie Giftgas auf sie einströmte, übte Lucinda mit größtmöglicher Konzentration empfindlichen Druck auf die Gefühle der Drachin aus und zwang sie, die Flügel auszubreiten und von ihrem Hochsitz

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