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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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nicht weißt, mein junger Tyler Jenkins.«
    »Du weißt doch, wie sehr Gideon sich nach ihr sehnt«, sagte Tyler. »Was könnte es Besseres für ihn geben, als sie wiederzuhaben und …?«
    Ein plötzliches Aufjuchzen von Kiwa und Jeg unterbrach |389| ihn. Die beiden jagten eine Ringschlange, die aus ihrem Käfig entwischt war und mit dem Schwanzende im Maul vor ihnen davonrollte. Erschrocken schwang sich Zaza von Tylers Schulter in die oberen Regionen des Stalls, wo sie empört kreischend auf der Stelle flatterte.
    »Da ist sie, da drüben, unter der Spritze! Verletzt sie nicht!«, schrie Ragnar und kam ihnen lachend zu Hilfe. »Aber vergesst nicht, sie kann ordentlich zubeißen!«
    Als auch der dritte Hirte und Haneb mitmachten, wurde die kuriose Jagd noch wilder. Tyler blickte Lucinda an. Sie beobachtete das ausgelassene Treiben ungefähr mit der Begeisterung einer Schülerin, die liest, wie die Hausaufgaben an die Tafel geschrieben werden. Dann drehte sie sich um und ging aus dem Stall.
    »Luce!«, rief er, doch sie reagierte nicht.
    Er ging ihr nicht hinterher. Es war zu lustig, dabei zuzusehen, wie alle die flink davonrollende Schlange zu fangen versuchten. Die Jagd versetzte auch viele andere Bewohner des Reptilienstalls in Unruhe: Die Wampuskatzen fauchten, die Basilisken spuckten Gift in ihren Käfigen, und schließlich hob sogar Meseret ihren mächtigen Kopf über den Rand ihres Geheges, um sich die Sache mal anzusehen. Zaza war so aufgeregt, dass sie einen der Amigos aus der Luft anpinkelte, was das Geschrei nur noch vermehrte.
    Wow,
dachte Tyler, der das Chaos genoss,
ist das nicht irre hier? Gibt es irgendwo auf der Welt einen cooleren Ort? Und ich und Lucinda haben ihn zum zweiten Mal gerettet!

|390|
    42
IM FALSCHEN MOMENT
    C olin Needle war zwei Tage lang mit unangenehmen Gedanken im Kopf herumgeschlichen, aber einerlei, von welcher Seite aus er die Sache betrachtete und wie er sie sich zurechtlegte, der schlimmste Gedanke ging einfach nicht weg.
    Tyler Jenkins hatte recht gehabt: Colins Mutter war es, die Gideons Krankheit verursacht hatte. Und nicht nur das. Anscheinend hatte sie in der Nacht des Gewitters Gideons Testament ändern wollen und war zu dem Zweck an Colins Computer in das von ihm so sorgfältig ausgetüftelte Sicherheitssystem gegangen, um die Mantikore freizulassen. Damit hatte sie nicht nur die anderen Bewohner der Farm einer tödlichen Gefahr ausgesetzt, sondern auch ihren eigenen Sohn.
    |391| Aber wie konnte sie so etwas tun? Colin wusste schon lange, dass seine Mutter schwierig und launisch war, ja, dass sie einen grausamen Zug hatte, aber dies hier war etwas anderes. So viele Male hatte sie ihm erzählt, dass ihre Exzesse um seinetwillen geschahen, und er hatte es genauso geglaubt, wie er glaubte, dass Regen gut für Pflanzen war. Jetzt hatte sein Leben auf einmal eine vollkommen andere, hässliche Gestalt bekommen, mit der er nicht umzugehen verstand.
    Am Fuß der Treppe kam ihm Caesar aus der Küche entgegen, in der Hand ein Tablett mit Suppe, Brot und einer blütenweißen eingerollten Serviette im Silberring, vermutlich Gideons Mittagessen. Colin nickte, als Caesar vorbeiging, und Caesar nickte höflich zurück, aber auf einmal war Colin sich sicher, dass in den dunkelbraunen Augen des alten Mannes noch etwas anderes als Höflichkeit lag – Verachtung? Echter Hass, nur durch geschliffene Manieren getarnt?
    Die kleine Pema staubte in der Eingangsdiele die Möbel ab, und auch sie nickte, als Colin vorbeiging, doch obwohl sie taktvoll die Augen niederschlug, bildete er sich ein, wahrzunehmen, dass sie zurückschauderte, als ob sie nicht einmal von seinem Schatten gestreift werden wollte. Er wusste, dass die Küchenfrauen ihn nicht sonderlich mochten, aber er hatte immer angenommen, das liege an seiner häufigen Gereiztheit oder an den unüberlegten abfälligen Bemerkungen, die er manchmal machte, wenn er etwas als dumm empfand. Aber war mehr dahinter? War ihre Abneigung gegen seine Mutter tiefer als die der meisten Angestellten gegen ihre unfreundlichen Vorgesetzten? Hassten und fürchteten sie sie richtiggehend? Hieß das, dass sie Colin Needle ebenfalls hassten und fürchteten?
    Das waren neue, sehr neue Gedanken, und Colin wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Sein Lebtag |392| war ihm klar gewesen, dass die anderen Farmbewohner die Needles nicht mochten, aber er hatte es sich weitgehend mit der Aversion erklären können, die die Schwachen immer gegen die

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