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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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haben die reinsten Wunderwesen auf dieser Farm, und es ist unsere heilige Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie hier sicher leben können.« Tyler sah, wie eine Hand des alten Mannes zur Kehle wanderte, und vermutete, dass Gideon wieder das Halsband seiner Frau befingerte.
    »Onkel Gideon, wo ist Zaza?«, fragte Tyler unvermittelt. »Die fliegende Äffin? Ich hab sie noch gar nicht gesehen.«
    Der alte Mann winkte ab. »Sie treibt sich irgendwo herum«, sagte er, war aber in Gedanken woanders. Für jemanden, der im Grunde den phantastischsten Zoo der Welt besaß, schien sich Gideon Goldring für die einzelnen Tiere manchmal recht wenig zu interessieren, vor allem wenn sie kein neues Projekt darstellten.
    Walkwell tippte an einem anderen Tor die Zahlen ein, und es glitt auf und ließ sie durch. Sie fuhren eine Anhöhe hinauf und erblickten einen großen braunen Ziegelbau, der allein auf einer ansonsten leeren ebenen Fläche stand. Sein glänzendes Metalldach stach markant von den erdfarbenen Wänden ab.
    »Ist das Gebäude neu?«, erkundigte sich Lucinda.
    »Nein, nur das Dach. Wir mussten es für unsere neuen Wächter herrichten.«
    |58| »Wächter?« Lucinda blickte erleichtert, aber noch leicht verwirrt.
    Genüsslich sagte Gideon: »Ja, die ›Mantis‹, wie Colin sie nennt. Unsere Mantikore.«
    »Mantikore!« Tyler sah ihn fragend an. »Was ist denn das?«
    »Es sind bösartige Tiere«, sagte Walkwell, während er den Wagen neben das Gebäude lenkte und anhielt. »Kommt und folgt mir. Macht euch ja nicht selbständig!«
    »Hier drin ist es so viel kühler«, sagte Lucinda, als sie alle den Stall betraten. Sie bemühte sich, munter zu klingen, aber ihre Stimme war jetzt noch nervöser, und Tyler konnte sich denken, warum: Der scharfe, in der Nase brennende Uringeruch von Raubtieren hing in der Luft.
    »Kühl, ja. Das machen die Lehmziegel«, sagte Gideon. »Sie senken die Raumtemperatur. Die Leute hier in der Gegend benutzen sie schon lange.«
    Das Stallinnere wurde fast ganz von einem riesigen Käfig eingenommen, der bis zu dem neuen Metalldach reichte und mit der Rückwand und einer Seitenwand abschloss. Der Käfigboden war mit Sand und Stöcken ausgestreut. In der Mitte waren einige große Betonblöcke zu einem künstlichen Felsenhügel aufgetürmt worden.
    »Genug«, sagte Gideon Goldring. Er hatte die Stimme gesenkt. »Genug geredet. Simos, geh und hol sie raus.« Er wandte sich den Kindern zu. »Tagsüber sind sie für gewöhnlich träge. Es sind Nachtjäger.«
    Tyler beobachtete gespannt, wie Walkwell auf seinen täuschend zierlichen Hufen auf die zwei Gitterwände zumarschierte, dreimal laut pfiff und sich dabei tunlichst vom Käfig fernhielt. Lucinda blieb mit ängstlichem Blick in Türnähe stehen, und ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie lieber woanders gewesen wäre. Selbst Tyler, der normalerweise alles |59| Spektakuläre und Gefährliche liebte, wurde ein wenig mulmig zumute.
    »Scheuch sie auf, Simos«, sagte Gideon, nachdem Walkwell mindestens eine halbe Minute pfeifend auf und ab gegangen war. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Walkwell warf ihm einen skeptischen Blick zu, nahm aber eine lange Metallstange von der Wand, schob sie zwischen den Gitterstäben hindurch und schlug damit fest auf einen der Betonblöcke. Gleich darauf kam der erste Mantikor so träge aus seinem Versteck geschlurft wie ein lustloser Jugendlicher.
    »Boah!«, sagte Tyler. »Ist der aber groß!«
    »Ja, Mantikore können wirklich groß werden, wenn man sie gut füttert«, sagte Gideon.
    Zwei weitere folgten dem ersten. Sobald sie im Freien waren, setzten sich die Mantikore auf die Hinterhand, die hellbraunen Gesichter halb hinter der Mähne versteckt, und betrachteten die Besucher mit überraschend roten Augen. Jeder war so groß wie ein ausgewachsener Löwe, aber es war nicht nur ihre Größe, die die Kinder entsetzte.
    Lucindas Stimme zitterte. »Ihre Gesichter … sie sehen aus wie …«
    »Sie sehen beinahe menschlich aus, nicht wahr?«, sagte Gideon. »Mantikore gehören zu den Affen, glaube ich. Sie haben etwas von Riesenpavianen, aber im Gesicht ähneln sie eher den Menschenaffen. Nur dass sie braune Haut haben statt schwarze wie Gorillas oder Schimpansen.« Er lachte.
    »Sie sind grauenhaft«, sagte Lucinda.
    »Ich bin enttäuscht von dir, mein Kind«, sagte Gideon stirnrunzelnd. »Es sind erstaunliche Geschöpfe. Liebe Güte, sie sind noch großartiger als die Drachen! Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es

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