Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
guttun.«
Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie da gesagt hatte. »Weggehen? Wieso denn das?«
»Oh, habe ich dir das nicht gesagt? Die Leute auf der Farm nebenan, diese Spanier, sie haben dich eingeladen, mit ihnen zu feiern. Du weißt doch bestimmt, dass morgen der Vierte Juli ist, der Unabhängigkeitstag oder wie er heißt.«
»Die Carrillos? Sie haben mich eingeladen?«
»Gewiss. Sie haben uns einen Brief geschrieben, und darin steht: ›Die Kinder sind eingeladen.‹ Ob es dir passt oder nicht, du bist immer noch eines der Kinder, deshalb werden sie erwarten, dass du kommst.«
Colin konnte sich nur sehr schwer vorstellen, dass die Carrillos ihn dabeihaben wollten, wenn sie den Vierten Juli feierten. »Ich will nicht auf ihr blödes Fest gehen.«
|113| »Trotzdem wirst du gehen, Colin, ich bestehe darauf. Wir sind es ihnen aus mehreren Gründen schuldig. Außerdem hat Gideon, bevor er verschwand, auf Fragen von Mr. Carrillo ziemlich unfreundlich reagiert, deshalb sollten wir erst recht höflich zu ihnen sein. Ich möchte, dass du deine besten Manieren an den Tag legst.« Sie drehte sich zum Spiegel zurück und sah wieder hinein wie auf ein Zauberbild, das ihren innigsten Wunsch darstellte. »Ach, und würdest du bitte Caesar Bescheid sagen, dass er kommen und sich seine Mittel holen kann? Ich koche gerade seinen speziellen Heiltee.«
Erst auf der Treppe hinunter zur Küche ging Colin auf, dass er seiner Mutter keine einzige der Fragen gestellt hatte, deretwegen er eigentlich gekommen war. Und noch etwas ging ihm auf: Die Carrillos waren durchaus nicht der Grund, dass er morgen Abend zur Cresta-Sol-Farm mitfahren sollte, sie waren nur eine willkommene Ausrede. Seine Mutter wollte ihn aus dem Weg haben, das war der Grund. Er hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, aber er war sich sicher, dass sie es nicht vor ihm tun wollte.
Wieder dröhnte der Donner, und der Himmel draußen vor dem Fenster wurde schlagartig weiß. Ein Blitz, ganz in der Nähe.
Ein anderer Sohn wäre wegen der Geheimniskrämerei seiner Mutter beleidigt gewesen und vielleicht sogar zurückgegangen, um sich zu beschweren, aber Colin Needle war es gewohnt, als störend empfunden und über vieles im Dunkel gelassen zu werden, und er war es auch gewohnt, zu tun, was Patience Needle von ihm verlangte, oder wenigstens so zu tun, als ob.
Er würde zu den Carrillos gehen – aber nichts auf der Welt, nicht einmal seine schöne, kalte, kluge Mutter konnte ihn zwingen, sich darauf zu freuen.
|114|
13
EIN FREIER MANN IN PENNSYLVANIA
J e mehr Tyler nachdachte, umso wütender wurde er.
»Was denken die sich? Sind die alle verrückt?« Vor lauter Erregung fiel ihm die Taschenlampe aus der Hand, und die Batterien, die er gerade eingelegt hatte, sprangen heraus und rollten davon. »Dieser Kingaree ist ein Sklavenjäger! Der hätte dich umbringen können! Sie sagen uns überhaupt nichts, nicht das Geringste, immer müssen wir alles selber rausfinden!«
»Sie sind alle aus der Vergangenheit, Tyler. Sie gehören hier nicht hin, und wenn bekannt würde, dass sie hier sind, würde es ihnen an den Kragen gehen. Natürlich halten sie Sachen geheim.«
Tyler knurrte. Lucindas Ausreden waren auch schon mal besser gewesen. »Ist mir egal, ob sie aus dem Märchenwunderland |115| sind, Luce:
Sie
haben
uns
eingeladen! Sie haben uns einfach hergeholt, ohne uns mit einem Wort vor den ganzen Gefahren zu warnen: Drachen! Herumballernde Milliardäre mit Hubschraubern! Gemeingefährliche Sklavenauspeitscher aus Bürgerkriegszeiten! Und jetzt ist auch noch Gideon fort und wir sind die einzigen Leute in dem ganzen Laden, die überhaupt legal
existieren.«
Vielleicht zum ersten Mal überhaupt kamen Tyler Zweifel, ob sie wirklich zur Tinkerfarm gehörten. Wie zur Bekräftigung dieser Zweifel donnerte es über den nahen Hügeln.
Dann aber musste er wieder an Colin und seine bescheuerte Mutter denken, und die Zweifel waren wie weggeblasen. »Nein, nicht
wir
sind es, die hier nicht hergehören«, sagte er.
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Schon gut.« Er hatte eigentlich vorgehabt, bis zum Abendessen noch einmal draußen nach Gideon zu suchen, jetzt aber legte er die Taschenlampe hin und stand auf. »Komm mit. Vielleicht hat dieser Kingaree ja doch was mit Onkel Gideons Verschwinden zu tun – und wenn, weiß ich auch, wer uns dazu was erzählen könnte.«
Die Frauen in der Küche begannen gerade mit den Abendessensvorbereitungen. Tyler registrierte die
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