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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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gleichzeitig. Culpepper zog den Wagen auf die Straße zurück, und Eliot in seinem See blieb wieder allein. »Du solltest Gideon Goldring nicht unterschätzen, Lucinda«, sagte der bärtige Mann. »Du weißt doch, wie stur er ist. Und zäher und willensstärker, als du dir vorstellen kannst, ist Gideon auch.«

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ERGODIZITÄT UND ANDERE GROSSE WORTE
    A uf dem Weg zur Bibliothek beobachtete Colin Needle, wie der Drache Alamu etwa hundert Meter über dem Haus große, gemächliche Kreise zog, als gefiele ihm der Anblick der weitläufigen Gärten von Colins Mutter. Ein paar durch die Wolkendecke stechende Sonnenstrahlen funkelten auf den kupferroten Schuppen des Tiers und schienen durch die grauen Flughäute – das erste Licht am Himmel, das Colin seit Stunden gesehen hatte. Ein Gewitter zog im Tal auf, und ein Haufen dicker Donnerwolken lagerte über den fernen Bergen wie ein riesiger zorniger Flaschengeist. Alamu glitt tiefer, dann schwang er sich wieder hoch in die Lüfte.
    Elektrozäune sind ja gut und schön,
dachte Colin,
aber was ist,
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wenn Ed Stillman und seine Männer in diesem Augenblick draußen auf der Springs Road stehen und mit einem Teleobjektiv Aufnahmen machen? Die müssten sich anstrengen, um einen durch die Gegend fliegenden Drachen zu übersehen.
Ihm wurde ganz flau im Magen: ein Grund mehr, sich Sorgen zu machen.
    Der Milliardär Stillman hatte ihn vorigen Sommer gelinkt, aber noch schlimmer war, dass er, Colin, auf die Lügen des Kerls hereingefallen war. Er war so leichtgläubig gewesen wie eines der Jenkins-Gören. Das nagte immer noch an ihm. Im Moment war Ed Stillman nur eines von vielen Problemen, allerdings ein dauerhaftes.
Irgendjemand
musste die Probleme lösen und die Ordinary Farm retten. Gideon Goldring war verschwunden, vielleicht tot, Colins Mutter drohte, sich in Gideons Abwesenheit von der allgemeinen Laschheit anstecken zu lassen, und Walkwell, Ragnar und die Jenkins-Gören waren eh zu nichts zu gebrauchen. Nur Colin Needle konnte die Probleme der Farm lösen und alles wieder in Ordnung bringen.
    Bedauerlich daran, ja wahrhaft himmelschreiend war, dass nur Colin selbst das zu begreifen schien.

    In der Bibliothek nahm Colin seinen gewohnten Platz ein und fühlte angesichts des Papier- und Bücherberges vor ihm, wie eine Welle der Verzweiflung ihn überrollte. Seit zwei Monaten saß er nun fast jeden Wochentag hier, hielt die Augen offen nach einem weiteren wunderbaren Halsbandzauber (so seine ironische Benennung) und studierte unermüdlich alles, was er über die wissenschaftlichen Grundlagen der Verwerfungsspalte finden konnte, weil keiner seiner Pläne für die Farm aufgehen würde, wenn er deren Geheimnis nicht lösen konnte. Und was hatte er als Ergebnis seiner ganzen Bemühungen |109| vorzuweisen? Stapelweise Physikbücher, die er kaum lesen konnte, weil sie nur so strotzten von Begriffsmonstren wie »Ergodizität«, »Poincaréscher Wiederkehrsatz« oder »Loschmidtscher Umkehreinwand«, Begriffe, mit denen Colin nicht viel anfangen konnte, selbst wenn er sie in normalen naturwissenschaftlichen Büchern fand. Dennoch hatte er sie alle durchgearbeitet, sich anfangs auch viele Notizen gemacht, aber nachdem immer deutlicher geworden war, dass die Theorien für ihn viel zu kompliziert waren, hatte er mehr oder weniger kapituliert. Trotz seiner Bemerkung zu Tyler Jenkins wusste Colin, dass er niemals aus eigener Kraft ein Kontinuaskop bauen konnte; damit hatte er nur gedroht, um seinen Feind zu ärgern.
    Und was das Aufspüren von Grace betraf, glaubte er nicht, dass er damit mehr Glück haben würde. Sie war in jener Nacht vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden, und fast alle auf der Farm vermuteten, dass sie irgendwie in die Verwerfungsspalte geraten war. Aber wenn das stimmte, wieso war dann ihr goldenes Medaillon hier in der Bibliothek aufgetaucht, tausend Meter vom Silo und dem darunter verborgenen Naturwunder entfernt? Gideon hatte Colin in die Bibliothek abkommandiert, damit er dort einsam wie ein Leuchtturmwärter auf irgendein anderes Lebenszeichen von Grace wartete, dabei gab es gar keinen Beweis, dass das Medaillon wirklich aus der Bibliothek gekommen war, nur Tyler Jenkins’ mehr als fragwürdige Behauptung.
    Da kam Colin ein neuer Gedanke, der ihn derart bestürzte, dass er im ersten Schreck zu atmen vergaß. Dieser Knilch Jenkins war ja tatsächlich schon einmal in der Verwerfungsspalte gewesen und in die Eiszeit gereist – durch Zufall, hatte er

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