Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
guten Gerüche mit Wohlgefallen, aber er war zu sehr in Eile, um genauer hinzuschnuppern. Eine Kleinigkeit zum Mitnehmen jedoch wäre nicht verkehrt, fand er …
»Er ist oben«, gab Pema ihnen Auskunft. »In Gideons Arbeitszimmer.«
»Und wenn du diesen Speck anrührst, du Lümmel«, warnte Sarah ihn, »wirst du übers Knie gelegt.« Ertappt stieg Tyler mit Lucinda die Treppe hinauf.
|116| Caesar blickte vom Abstauben auf. Da Gideon Goldring jetzt schon fast eine Woche fort war, konnte man sich zwar fragen, wie viel Saubermachen in seinem Arbeitszimmer wirklich nötig war, aber Caesar begriff es als seine persönliche Pflicht, sich um Gideon und seine Räume zu kümmern, und das offenbar unabhängig davon, ob Gideon da war oder nicht.
»Hallo, Kinder«, sagte er. »Sucht ihr etwas?«
»Dich, Caesar. Dürfen wir dich mal was fragen?«
Der alte Mann lachte und zeigte ihnen seine weißen Zähne. »Ich denke schon.« Die Zähne waren nicht seine eigenen. Simos Walkwell hatte sie ihm von einem Kirchenbasar in Standard Valley mitgebracht, und obwohl sie nicht übermäßig gut passten, war Caesar sehr stolz auf sie. Seine eigenen hatte er schon in jungen Jahren verloren.
Komisch, dass wir das über ihn wissen, nicht aber, dass er ein entlaufener Sklave war,
dachte Tyler. »Hast du gehört, dass Lucinda Jackson Kingaree begegnet ist? Er hat sie in der Stadt angesprochen und ihr gesagt, wer er ist.«
Caesars Miene wurde reservierter, doch er behielt sein Lächeln bei. »Doch, das habe ich gehört, ja. Schreckliche Geschichte.«
»Wir würden gern mehr erfahren. Über Kingaree. Wir glauben, er könnte was mit Gideons Verschwinden zu tun haben.«
Caesar hielt den Blick auf Tyler noch einen Moment, dann machte er sich daran, ein staubfreies Regal abzustauben. »Ich kann jetzt nicht reden, Kinder. Die Pflicht ruft.« Ihm versagte die Stimme. »Das mit Mister Gideon macht mich furchtbar traurig.«
»Sprich doch mit uns, Caesar, bitte!«
»Tyler, lass ihn in Ruhe!«, flüsterte Lucinda, doch er beachtete sie nicht.
|117| »Niemand hier sagt uns irgendwas. Was ist passiert?« Tyler bemühte sich, ruhig zu bleiben, aber er hatte es satt, dass alle seinen Fragen auswichen. »Bitte, Caesar. Hatte Gideon eine Abmachung mit Kingaree? Und wenn, warum hat Kingaree dann die Farm verlassen?«
Caesar drehte sich abrupt herum. Sein Lächeln war verschwunden, und sein Gesicht war so streng und hart wie eine hölzerne Maske. »Warum Kingaree weggegangen ist? Weil er ein Teufel ist, darum. Weil, wie es in der Bibel heißt, der Teufel die ganze Erde hin und her durchziehen muss, um sein Unheil zu treiben.«
»Ragnar hat mir gesagt, du wärst …« Lucinda scheute sich, das Wort auszusprechen, als ob es etwas Anstößiges wäre. »Er hat gesagt, du wärst Kingarees … Sklave gewesen.«
»Das stimmt nicht!« Caesar schüttelte den Kopf. »Aber Ragnar kann nichts dafür. Er stammt aus weit, weit zurückliegenden Zeiten und weiß es nicht besser. Ja, ich war mal ein Sklave in South Carolina, aber bei einem besseren Menschen als Jackson Kingaree. Aber auch bei einem guten Herrn will niemand gern Sklave sein. Ich verdiente mir die Freiheit und ging nach Norden, um in Pennsylvania zu leben. Eines Tages war ich in Charlesville auf dem Markt, da fing mich Kingaree mit seiner Bande von Sklavenjägern ein, als wäre ich ein Stück Vieh, dabei war ich auf freiem Territorium und ein freier Mann. Er wollte mich kurzerhand über die Grenze nach Maryland schaffen … das war damals ein Sklavenstaat. O lieber Gott!«
Ein Blitz zuckte draußen am Himmel über den Bergen, gefolgt von Donner. Ein Sommergewitter war im Anzug. Zu Tylers Bestürzung zitterte Caesar so heftig, dass sein langer, hagerer Körper wie ein Baum im Wind schwankte. Der alte Mann tastete nach einem Stuhl – Gideons leerem Schreibtischstuhl |118| – und setzte sich. »Tut mir sehr leid«, sagte Tyler. »Ich wollte nicht …«
»Das konntest du ja nicht ahnen, mein Sohn. Ihr Kinder wisst über die Verhältnisse zu meiner Zeit doch nur das bisschen, was ihr in der Schule lernt. Aber damals wusste man, dass man ständig auf der Hut sein musste. ›Reize nie einen fremden Hund!‹, bekam man von allen eingeschärft. ›Schau nie einem Weißen ins Auge, schon gar keiner weißen Frau! Hüte dich vor den Sklavenjägern!‹« Er lachte, doch es klang brüchig und gar nicht heiter. »Ja, dieser Teufel Kingaree schnappte mich. Als dann sein Wagen ein Rad verlor und ich nicht in Ketten
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