Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
sich an wie ein Eimer mit nassem Mörtel. Sie wäre hingefallen, wenn Azinza, die immer noch in der Diele stand, nicht herbeigesprungen wäre und sie mit starker Hand festgehalten hätte.
»Genug jetzt mit deinen Verdrehungen, Hexe«, knurrte Ragnar. »Gideon soll selber sprechen.«
Aber Mrs. Needle war wie eine Opernsängerin, die ihren großen Auftritt hatte und sich jetzt zum Finale aufschwang. »Gideon, begreifst du, der Junge hat im
Drachennest
herumgestöbert! Niemand weiß, was das für Folgen haben wird – du weißt, wie gefährlich Alamu sein kann, wenn er gestört wird. Du musst dringend etwas unternehmen, Gideon. Diese Kinder sind eine Gefahr, und während wir hier reden, läuft ein Fremder auf deinem Grund und Boden herum und schaut sich alles an … spioniert!«
»Spioniert? Sie und Ihr hinterhältiger Sohn versuchen, diese ganze Farm zu
stehlen
!«, schrie Tyler sie an.
|195| »Ein Fremder …« Gideon lugte unter seinen buschigen Augenbrauen hervor, als hätte er jetzt erst endlich verstanden, worum es ging. Sein fahles Gesicht verzog sich zu einer Fratze des Abscheus. »Hier. Auf der Farm …«
»Jawohl!«, sagte Mrs. Needle beinahe triumphierend. »Fremde! Unsere Geheimnisse werden aufgedeckt. Wir werden die Farm verlieren – und du wirst endgültig von Grace getrennt sein.«
»Sie lügt, Gideon«, sagte Ragnar. »Komm einfach mit und sprich mit Carrillo. Er ist ein Ehrenmann. Er will lediglich über Stillman sprechen, und über andere Sachen.«
Mühsam und schlotternd setzte Gideon sich gerade hin und sah dabei aus wie eine Ausgeburt der zerwühlten Bettdecken. »Du hast … einen Fremden … hergeholt?«
»Es ist Hector Carrillo, dein Nachbar!«, empörte sich Ragnar. »Wir sind es ihm schuldig, ihn wenigstens anzuhören!«
»Verstoße sie!«, zischte Mrs. Needle. »Schick sie fort! Sie sind Verräter, sie alle, Ragnar, der Junge, das Mädchen. Sie versuchen
alle,
dir die Farm zu stehlen!«
»Meine Farm stehlen?« Krebsrot im Gesicht vor Zorn wollte Gideon aus dem Bett aufstehen und fuchtelte mit den Armen wie ein Ertrinkender, doch er bewegte sich kraftlos und langsam, als ob er tatsächlich unter Wasser wäre. »Hinaus! Hinaus mit euch allen! Hinaus aus meinem Zimmer, fort von meiner Farm! Ich habe euch vertraut, doch ihr habt mich verraten!« Er richtete seine krank stierenden Augen auf Tyler und Lucinda. »Und ihr Kinder«, fuhr er in einem Ton fort, der nach echtem Hass klang, »ihr habt immer nur zu zerstören versucht, was ich hier aufbaue. Verschwindet, ihr drei Verräter, geht mir aus den Augen!
Und lasst euch nie wieder auf der Ordinary Farm blicken!«
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21
EIN UNERWARTETER ZUSAMMENSTOSS
B ei Sonnenuntergang schalteten sich auf der ganzen Farm automatisch die Scheinwerfer an, obwohl ihr oranges Licht erst nur geringfügig heller war als der Himmel. Tyler stand mit rasendem Herzen und Schwindelgefühlen in der Haustür und fragte sich, ob er diesen wunderbar-schrecklichen Ort wohl je wiedersehen würde. Da trat Ragnar aus dem Schlangenzimmer, Lucinda auf dem Arm, als ob sie ein kleines Kind wäre.
»Wie geht es ihr?«
Der Hüne zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Nicht gut. Wir werden Hector Carrillo bitten, uns zu helfen.«
»Hörst du, Luce?«, versuchte Tyler seine Schwester aufzumuntern. »Die Carrillos werden uns helfen. Alles wird wieder |197| gut.« Sie öffnete die Augen und bemühte sich zu lächeln, aber es war nicht der überzeugendste Vertrauensbeweis, den er je gesehen hatte.
Pema und Sarah kamen schwerbeladen die Treppe herunter, jede einen Koffer der Kinder in der Hand. Beide Frauen weinten.
»Es ist alles drin«, sagte Sarah zu Tyler. »Pema hat unter euren Betten und Schränken gefegt.« Dann schluchzte sie wieder los.
»Wo geht ihr hin?«, fragte Pema. »Wo geht ihr bloß hin?«
»Zu den Carrillos, glaube ich, wenn sie uns nehmen.« Ragnar nickte und überlegte. »Wenigstens für eine Nacht. Lucinda braucht Ruhe und ein richtiges Bett.«
»Und wenn sie uns nicht haben wollen?«, fragte Tyler, dem Lucindas bleiche, teilnahmslose Züge Sorgen machten. »Mr. Carrillo war letztes Mal ziemlich sauer auf uns.«
»Nicht auf euch«, sagte Ragnar grimmig. »Sauer auf Gideon und auf die Hexe, die ihn so schlecht berät.« Er blickte sich finster um. »Wo ist Simos? Ich wünschte, ich könnte mit ihm reden, bevor wir gehen.« Er wandte sich an Sarah. »Sag Walkwell, was geschehen ist. Er wird wissen, was zu tun ist.«
»Aber wie kommt das
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