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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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freundlich. »Es ist eigentlich ganz einfach«, erläuterte Desta. »Du bist bei lebendigem Leib gefressen worden. Das kommt häufig vor. Meine Mama hat gesagt, dass es manchmal leichter ist, einen Hirsch oder eine Kuh ganz zu verschlingen, als sich damit abzuschleppen. Mehr Tee?«
    Lucinda nickte, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, überhaupt schon Tee getrunken zu haben.
    »Er ist mit Rosen«, sagte Desta, schenkte ihnen beiden ein und nahm dann ihre Tasse. »Sehr gut für Mädchen. Mädchen mögen Rosen. Du magst doch Rosen, nicht wahr?«
    |187| Lucinda war sich nicht sicher, ob sie Rosen mochte oder nicht, aber sie nickte trotzdem. »Ja, doch, natürlich. Schöne Rosen.« Aber das Sprechen fiel ihr schwer: Ihre Zunge fühlte sich riesengroß an, und ihr Gesicht war ganz heiß. An den Wänden des Höhlenzimmers war eine grüne Tapete mit Pflanzenmustern, die richtig echt wirkten, geringelte Stengel und spitze dunkle Dornen – sie hingen sogar von der Decke. Lucinda fragte sich, ob Desta den Tee vielleicht sogar von diesen Tapetenpflanzen gemacht hatte, denn ihre Kehle fühlte sich ganz stechend und dornig an. »Seit wann kannst du so gut sprechen?«, fragte sie.
    Desta führte ihre geflügelte Vorderpfote ans Maul, die kleinste Klaue abgespreizt, und trank einen Schluck Tee. »Ich habe schon immer sprechen können. Du musstest bloß zuhören lernen.«
    »Aber ich dachte, Drachen können Menschen nicht leiden. Warum bist du so nett zu mir?«
    »Weil du wahrscheinlich stirbst.« Sie nickte ernst. »Wenn wir dieses Gespräch jetzt nicht führen, heißt das, wir werden es wohl nie tun, und ich wollte dir sagen, dass Azinza recht hatte.«
    Lucinda war verwirrt und traurig. Sie wollte nicht sterben. »Azinza?«
    »Mit dem Ungetüm. Das die langen Finger hatte. Sehr, sehr lang …«
    »Was meinst du damit? Ich verstehe nicht.«
    »Lucinda!«
Die Drachenstimme wurde kalt und scharf.
»Du musst dich hinsetzen.«
    »Aber ich verstehe das nicht!«
    »Sarah, hilf ihr, sich hinzusetzen!«
    Es war Lucinda schleierhaft, wo auf einmal die Köchin herkam und warum sie sie nicht sehen konnte, doch ehe sie nachfragen |188| konnte, griff jemand sie mit starken Händen und zog sie aus ihrem Sessel hoch. Sie wehrte sich so heftig gegen den unsichtbaren Angriff, dass sie sich ihren Tee übers Gesicht goss.
    »Du dummes Ding!«, sagte die Drachenstimme … aber es war gar nicht mehr die Drachenstimme. »Sieh dir an, was du getan hast! Du hast alles vergossen! Jetzt muss ich neuen machen!«
    Als Lucinda die Augen aufschlug, lag sie im Schlangenzimmer auf einem der alten Sofas. Undeutlich nahm sie den Umriss von Gideons Bett auf der anderen Seite des Raumes wahr, bleich wie ein Geisterschiff. Die Köchin Sarah saß neben ihr und tupfte ihr mit einem Tuch die Stirn ab. Lucinda setzte sich hin. Nicht nur ihre Stirn war feucht, sie war am ganzen Leib schweißnass. »Was …?«
    »Du darfst nicht so wild sein, Lucinda«, sagte Sarah zu ihr, doch ihre Stimme war freundlich. »Du hast deine ganze Arznei verschüttet. Sie geht neue machen.«
    »Was ist mit mir?«
    »Das weiß man nicht. Pema und Azinza haben dich aus dem Garten ins Haus getragen. Sie meinten, du wärst hingefallen und sehr krank. Mrs. Needle gibt dir eine Arznei, damit du wieder gesund wirst.«
    Bevor Lucinda weitere Fragen stellen konnte, kam die schlanke Gestalt von Mrs. Needle mit einer Tasse in der Hand zurück ins Zimmer gerauscht. Sie legte ihren dünnen Arm fest auf Lucindas Brust und bedeutete ihr, stillzuhalten. »Schluss jetzt mit dem Gezappel! Trink das!«
    Lucinda hatte nicht die Kraft, sich zu widersetzen.
Außerdem,
dachte sie,
wenn sie mich vergiften wollte, hätte sie das längst tun können.
Dennoch schnupperte sie misstrauisch an der dunklen Flüssigkeit, bevor sie davon trank. Der Geschmack war leicht moderig, aber mit Honig gesüßt, so dass Lucinda |189| sich überwand, die Tasse auszutrinken. Als das geschehen war, beugte Mrs. Needle sich über sie und nahm ihr Gesicht genau in Augenschein, wobei ihre feinen Nasenflügel sich blähten, als schnupperte sie nach etwas. Sie schlug Lucindas Decke zurück und begann, so heftig auf Lucindas Bauch herumzudrücken, dass es richtig wehtat.
    »Milz«, murmelte Mrs. Needle, während ihre langen Finger sich unter Lucindas Brustkasten gruben. »Nieren.« Die Engländerin schien so viele verschiedene Organe wie möglich abtasten zu wollen. Es fühlte sich unerträglich intim an, aber Lucinda war immer noch zu

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