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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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soll ich deiner Meinung nach tun?», fragt er Crispus. «Die Kavallerie in Marsch setzen und die Bischöfe unter den Hufen ihrer Pferde zertrampeln lassen? Soll ich dem Beispiel meiner Vorgänger folgen, den Christen die Augen ausstechen und sie mit glühenden Eisen foltern, bis sie auf meine Linie einschwenken? Soll ich mit meinen Streitkräften durch die Welt ziehen und jedes Dorf dem Erdboden gleichmachen, dessen Bewohner etwas anderes glauben als ich?»
    «Das habe ich nicht gemeint –»
    «Jeder kann ein Schwert führen. Aber so einfach geht es nicht.» Er betrachtet seinen Sohn mit strengem Blick. «Valerius und ich haben schon mit Stöcken gefochten, als wir fünf Jahre alt waren. Die Klingen sind schärfer geworden, aber sonst hat sich nichts verändert. Wenn wir uns nur darauf verlassen, wird es nie zum Frieden kommen.»
    Er wischt mit dem Fuß über die Ölpfütze am Boden und zeichnet Kreise hinein.
    «Warum hat Diokletian das Reich geteilt? Weil er Heerführer brauchte, um seine Kriege führen zu können. Und weißt du was? Je mehr Männer er unter Waffen stellte, desto häufiger wurde gekämpft. Damit haben wir Schluss gemacht. Ein Mann, ein Friede, ein Gott. Wenn wir aber keine neuen Mittel finden, um Streit zu schlichten, wird das Reich auseinanderfallen. Diesen Weg weist uns der Christengott.»
    «Du weist ihn», sage ich.
    «Es ist das Werk von Generationen.» Er dreht sich vor dem Fenster um und breitet die Arme aus. «Ich bin, was ich bin – unvollkommen und festgefahren. Seit dem Tag, an dem wir Licinius bezwungen haben, habe ich mein Schwert nicht mehr angerührt, also seit fast neun Monaten nicht. Aber bei Gott, es fällt nicht leicht. Kennt ihr die Christengeschichte über den Propheten Moses?»
    «Er führte sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten», antwortet Crispus und hilft mir so aus der Verlegenheit.
    «Aber er hat das gelobte Land nie erreicht. Ans Ziel zu gelangen blieb seinem Nachfolger vorbehalten.» Konstantin kneift die Brauen zusammen und versucht, sich an den Namen zu erinnern.
    «Josua», hilft ihm Crispus, der mit seinen Gedanken jedoch woanders ist. Er starrt seinen Vater an. In diesem Augenblick vollzieht sich etwas Bedeutungsvolles. Es kommt zu einem grundlegenden Verständniswandel. Später werden Geschichtsgelehrte sagen, dass Crispus seinen Vater als alleiniger Augustus ablöste. Ihre Worte wurden in diesem Moment geschrieben.
    Ans Ziel zu gelangen blieb seinem Nachfolger vorbehalten.
    Seinem Nachfolger – nicht seinen Nachfolgern. Über seine Ablösung hat Konstantin bislang nie gesprochen. Fausta lag ihm jahrelang mit der Frage in den Ohren, was ihren drei Söhnen in Aussicht steht. Inzwischen hat sie gelernt, dieses Thema ruhen zu lassen. Crispus aber verrät jetzt mit seiner Miene, dass er darauf brennt, Bescheid zu wissen.
    Konstantin lächelt seinen Sohn an. Es ist ein verschwörerisches Lächeln voller Versprechen. Von beiden fällt eine große Last ab. Ich fühle mich in meiner Rolle als unbeteiligter Zeuge nicht wohl.
    «Wir werden das Imperium nach Gottes Bild neu schaffen», sagt Konstantin. «Eine neue Welt des Friedens. Aber es wird sich nichts ändern, wenn wir die Menschen nicht davon überzeugen können, dass Veränderung nottut.»
    Crispus nickt benommen.
    «Und wenn die Kirche nicht mitzieht – worauf könnten wir dann hoffen?»
    Meine Hoffnung hält sich ohnehin in Grenzen. Ich denke an Thessaloniki, an die Blutlachen auf rotem Marmor, an Constantianas gellende Schreie. So wird Frieden bewahrt. Ich wünschte, sie hätten den Jungen verschont.
    Konstantin setzt sich auf die Bettkante. Crispus kauert neben ihm.
    «Nun denn, wie können wir die Arianer dazu bringen, dass sie ihre Ansichten mäßigen?»
    Crispus schüttelt den Kopf. «Arius wird sich nicht überreden lassen. Wenn wir es nur mit ihm zu tun hätten, würde er vielleicht klein beigeben. Aber er hat inzwischen mächtige Gönner, die seine Ideen teilen. Ihretwegen wird er nicht nachgeben können. Eusebius wäre zutiefst gedemütigt.»
    «Diese Fragen zur Dreifaltigkeit sind so bedeutungslos, so banal, dass sie nie gestellt werden dürften.» Konstantins Irritation ist echt. «Und wenn sie doch gestellt werden, müsste jeder vernünftig genug sein, auf Antworten zu verzichten.»
    «Aber Fragen verlangen nach Antworten.» Crispus zieht eine kleine Schriftrolle aus seiner Tunika. Konstantin stöhnt.
    «Noch eine Petition?»
    «Alexander von Cyrene, mein alter Lehrer – du erinnerst dich an

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