Die Geheimnisse der Toten
Schreiben zurück aufs Bett. «Und irgendwo in diesem Haufen, darauf könnt ihr wetten, wird ein Gesuch der Freunde des Bischofs von Antiochia liegen, die mich drängen, die über ihn verbreiteten Lügen nicht zur Kenntnis zu nehmen und seine Widersacher zu bestrafen.»
Er schiebt die Schriftrollen über das Bett auf mich zu. Einige fallen auf den Boden.
«Nimm sie, Gaius.»
«Was soll ich damit?»
«Verbrennen.»
Ich sammle die Schriftstücke auf, doch Konstantin winkt ab. «Nicht jetzt. Warte, bis die Bischöfe die Kirche verlassen. Sie sollen sehen, wie das Zeug brennt. Ich will sie wissen lassen, dass sie ihre Zeit verschwenden.»
Er wirft sich aufs Bett. «Was muss ich tun, damit diese Bischöfe zustimmen?»
Ich halte mich bedeckt. Meine Gedanken dazu wird Konstantin unbrauchbar finden, und er ist in schlechter Stimmung. In ein paar Wochen werden seine Vicennalien, die Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahr seiner Regentschaft, mit Festen und Paraden begangen. Später im Jahr fahren wir dann nach Rom, zum ersten Mal seit unserem Sieg über Maxentius. Konstantin will bis dahin unbedingt das Konzil beendet haben.
Crispus tritt ans Fenster und blickt über den See. Bernsteinfarbenes Sonnenlicht flammt auf seinem Gesicht. Er ist jetzt fünfundzwanzig und auf der Höhe seiner körperlichen Kraft, dem Vater ähnlich, aber maßvoller und zuversichtlicher. Konstantin war im gleichen Alter noch von den Launen eines Despoten abhängig; wenn er abends zu Bett ging, wusste er nicht, ob er jemals wieder erwachen würde. Seine Angst sitzt so tief wie die eines Mannes, der eine Hungersnot überlebt hat und nie mehr loslassen kann von der Sorge, noch einmal ohne Brot zu sein. Im Unterschied zu ihm kennt Crispus nur Erfolge.
«Es ist Eusebius», sagt er. «Er wird dich zwar nicht ausdrücklich herausfordern, aber auch keinen Kompromiss eingehen. Und er kennt alle Tricks, eine Debatte so sehr in die Länge zu ziehen, dass es nie zu einer Entscheidung kommt.»
«Mir gegenüber zeigt er sich immer wohlwollend.»
«Unter Licinius hat er sich sieben Jahre als Bischof von Nikomedia – Licinius’ Hauptstadt – halten können. Er ist eine Schlange, die sich in jedes warme Loch verkriechen kann.»
Den Namen Licinius im Munde zu führen ist sehr riskant, und das weiß Crispus. Nach seiner Niederlage in Chrysopolis ging Licinius mit seiner Frau Constantiana und dem neunjährigen Sohn ins Exil nach Thessaloniki. Vor zwei Monaten erreichte uns das Gerücht, Licinius würde mit gewissen Senatoren konspirieren und nach Rom fliehen wollen, um sich als Kaiser auszurufen und alle Christen zu vernichten. Aus jetziger Sicht erscheint dieser Verdacht sehr weit hergeholt, aber sogar Gerüchte können sich manchmal selbst erfüllen. Licinius hatte bei Konstantin jedenfalls auch den letzten Rest an Kredit verspielt.
Ich wurde nach Thessaloniki geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Böse Zungen behaupten, ich hätte Licinius die Kehle aufgeschlitzt und seinen Sohn vor den Augen der Mutter massakriert. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Den Sohn hat der Garnisonskommandant getötet, als ich schon abgereist war. Er musste später seinen Übereifer teuer bezahlen. Wie dem auch sei, Halbwahrheiten verbreiten sich sehr viel schneller als Tatsachen.
«Du musst dich um Eusebius kümmern», insistiert Crispus. «Wenn er fällt, wird sich seine Anhängerschaft auflösen, und du hast gewonnen. Denk an deine Schlachten», drängt er seinen Vater. «Du kannst deine Gegner nicht immer ausmanövrieren, manchmal empfiehlt sich der direkte Angriff, so wie bei Chrysopolis.»
«Geschickte Manöver halten die Verluste klein», murmele ich.
«Aber dein Feind überlebt und wird sich eines Tages rächen.»
Konstantin bringt Crispus zum Schweigen. «Ich habe die Bischöfe nicht zu mir gerufen, um Krieg zu führen. Ich will Frieden schaffen. Frieden. » Er springt vom Bett auf, geht drei lange Schritte durch den Raum und dreht sich um. «Stehe ich mit diesem Wunsch allein da?»
«Wir alle wollen Frieden.»
«Dann sprich nicht so, als lägen wir im Krieg. Manöver, Angriffe, Schlachten – das sind alles nur Metaphern. Niemand stirbt. Am Ende gehen die Streithähne auseinander und kümmern sich wieder um ihre eigentlichen Angelegenheiten. Auf einem Schlachtfeld aber sieht es anders aus.»
Er schlägt mit der Faust auf ein elfenbeinernes Beistelltischchen. Eine Öllampe, die zu nahe am Rand steht, fällt zu Boden und verschüttet ihren Inhalt.
«Was
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