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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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gekauft hatte, und las die unter den Perlen liegenden Lettern. Auf einer Kopie des Textes umkringelte sie die Buchstaben mit einem Bleistift und zog schließlich auch die Umrisse der Goldfassung nach für den Fall, dass sie von Bedeutung sein könnten.
    Drei Minuten.
    Sie nahm eine kleine Digitalkamera zur Hand und fotografierte die Kette auf dem Schriftstück aus nächster Nähe. Dann zog sie die Speicherkarte aus dem Apparat, wickelte sie in ein kleines Stück Papier und steckte sie in ihren BH. Nachdem sie Kamera und Lupe im Spülkasten hatte verschwinden lassen, hängte sie sich die Kette wieder um den Hals, zerriss die Extrakopie der Papyrusrolle in kleine Stücke und warf sie ins Klo.
    Wenn sie keine Kamera finden, werden sie auch nicht nach Fotos suchen.
    Die ganze Aktion hatte fünfeinhalb Minuten gedauert. Sie wusch sich die Hände und kehrte in den Gastraum zurück. Mark hielt es offenbar erneut nicht länger auf seinem Sitz; er stand unschlüssig auf. Der Mann im grünen Anorak war verschwunden.
    «Michael ist nicht im Hotel Marjan», blaffte er. «Der Portier sagt, er habe vor einer Stunde eingecheckt, sei aber nicht in seinem Zimmer.»
    Das hat ja nicht lange gedauert. Abby machte ein bedauerndes Gesicht. «Vielleicht vertritt er sich die Beine. Wir haben vierzehn Stunden im Auto gesessen.»
    «Warum hat er Sie nicht begleitet?»
    «Weil er nicht so dumm ist, einen Ort aufzusuchen, an dem es von SIS-Leuten nur so wimmelt.»
    «Haben Sie ihn vor uns gewarnt?»
    «Nein.»
    «Vertraut er Ihnen?»
    «Kann sein. Vielleicht auch nicht.» Abby tat gereizt. «Michael hat allen weisgemacht, dass er tot ist, und seine Spuren so verwischt, dass weder Sie noch Dragović ihn aufspüren können. Glauben Sie, er macht es sich im Hotelzimmer vorm Fernseher bequem, während ich losmarschiere, um Leute zu treffen, die ihn einbuchten wollen? Ich an seiner Stelle wäre jetzt in einem Café nahe dem Hotel und würde die Augen aufhalten nach Schnüfflern, die auf Michael Lascaris angesetzt sind.»
    Mark kniff die Brauen zusammen und setzte sich wieder. «Wie sind Sie hergekommen?»
    «Mit dem Auto.»
    «Welches Modell?»
    «Mit einem blauen.»
    Mark wollte ihr über den Mund fahren, bemerkte aber dann, dass sie mit ihm spielte.
    «Ein Skoda Fabia – mit Fließheck. Das Kennzeichen habe ich vergessen.»
    Mark verzichtete diesmal darauf, sein Handy zu bemühen. Er rutschte mit dem Stuhl nach hinten und stand auf. Draußen vor dem Fenster sah Abby ein rotes Kleid zwischen den Säulen aufblitzen.
    «Wohin gehen Sie?»
    « Wir gehen und bleiben zusammen, bis Michael gefasst ist.»
    «Unsinn. Wenn er Ihre Leute gesehen hat, wird er wissen, dass ich ihn verpfiffen habe.» Sie stand auf und schlüpfte in ihren Mantel. «Ich werde auf mich selbst aufpassen.»
    «Kommen Sie mit», sagte er. Es war kein Befehl, sondern eher eine Bitte. Sie war fast geneigt zu glauben, dass er sich um sie Sorgen machte. «Ich habe einen Wagen draußen an der Promenade stehen. Und einen sauberen Pass. In drei Stunden könnten Sie zu Hause und in Sicherheit sein. Dann wäre für Sie alles wieder wie gehabt.»
    Warum eigentlich nicht? Nicht mehr fliehen und durch diese Betonstädte am Rand der Zivilisation irren müssen, nicht mehr ständig Gefahren ausgesetzt sein. Raus aus der Kälte und ab ins Warme.
    Aber was erwartete sie dort? Eine leere Wohnung, eine gescheiterte Ehe und Trostlosigkeit. Außerdem hatte sie sich schon zu weit von ihrem Alltag entfernt.
    Sie legte einen Zwanzigkunaschein auf den Tisch. «Für den Kaffee.»
    Mark widersprach nicht.
    «Haben Sie nicht etwas vergessen?» Er deutete mit wackelndem Zeigefinger auf ihren Hals. Sie verzog ihr Gesicht zu einer Tut-mir-leid-Grimasse, nahm die Kette ab und legte sie zurück in die Schatulle.
    «Ich wette, auch von Ihren Ex-Freundinnen verlangen Sie den Schmuck zurück.»
    Sie verließ das Kaffeehaus allein und trat in den Hof hinaus. Die Frau im roten Kleid stand auf der anderen Seite vor einem Schaufenster und musterte die Auslage. Der Mann mit der schwarzen Vliesjacke fotografierte die Sphinx. Es war so dunkel, dass bei jeder Aufnahme ein Blitzlicht zuckte.
    Abby wandte sich nach rechts, bog nach wenigen Schritten wieder rechts ab und ging durch eine enge Gasse, gefolgt von Schritten – dem Trippeln von Stöckelschuhen.
    Deshalb haben sie dich gehen lassen. Sie glauben, du führst sie zu Michael.
    Sie erreichte einen kleinen Platz im Schatten eines grauen römischen Tempels, der von Häusern

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