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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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zu sein, und ihren eigenen Tod dafür in Kauf nahmen?»
    «Wer?» Ich kann kaum atmen und hauche die Frage.
    Vielleicht liegt es an seiner Verkrüppelung, jedenfalls hat Asterius die unangenehme Eigenschaft, an andere viel zu dicht heranzutreten. Ich kann die Wut, die in ihm kocht, deutlich spüren. Wie ein Vogel wirft er den Kopf in den Nacken, schaut zu mir empor und wartet darauf, dass mir ein Licht aufgeht.
    «Du?»
    Ein hässliches Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit. «Crispus konnte Eusebius nicht ausstehen. Drei Monate nach Nicäa schickte er Eusebius in die Verbannung nach Trier. Wir wussten, dass, solange Crispus lebt, Eusebius nicht mehr zurückkehren würde – und dass es mit seiner Rückkehr ein für alle Mal vorbei wäre, wenn Konstantin seinen Sohn zum Augustus machte.»
    «Wir?»
    «Eusebius und ich. Nun, vor allem ich. Eusebius war ja tausend Meilen weit entfernt. Aber ich hatte einen Verbündeten im Palast.»
    Fausta? Wohl kaum, zumal er sagte, dass da noch jemand anderes gewesen sei. Ich ringe mit der Frage, ich will mich nicht von Asterius lenken lassen. Und plötzlich fällt mir wieder ein, gesehen zu haben, wie eine Sänfte mit purpurnen Vorhängen und stolzen Pfauen darauf die Kirche verließ, in der Eusebius seinen Gottesdienst zelebrierte. Er ist ein außergewöhnlicher Mann, dem eine glänzende Zukunft bevorsteht. Ich erinnere mich, wie sie später in der Nacht ihr runzeliges Gesicht puderte und mit einer goldenen Bürste die silbernen Haare bearbeitete. Weißt du eigentlich, dass der Augustus ursprünglich daran dachte, dich mit mir zu vermählen?
    «Konstantins Schwester. Constantiana.»
    Das Grinsen wird breiter. Er gibt sich gönnerhaft.
    «Sie war schon immer eine bessere Christin als ihr Bruder. Es fiel ihr nicht leicht, ihn zu lieben. Vielleicht hätte sie ihm die Hinrichtung ihres Gatten Licinius verziehen, aber dass er auch ihren kleinen Jungen töten ließ, war zu viel. Sie musste sich rächen: Gatte gegen Gatte, Kind gegen Kind.»
    «Und du hast sie dazu ermutigt?»
    «Eusebius war ihr Beichtvater. Ihr spiritueller Führer. Als er von Crispus ins Exil geschickt wurde, wandte sich Constantiana an mich. Ich sah eine Möglichkeit, ihre und meine Zwecke voranzutreiben.»
    «Ich dachte, euer Gott predigt Frieden und Barmherzigkeit.»
    «Manchmal sind wir genötigt, schlimme Dinge zu tun, um Gottes Willen nachzukommen.»
    Eine billige Rechtfertigung. Aber ihm scheinen die eigenen Worte selbst wehzutun und eine Wunde aufzureißen. Seine Arme zittern in den Ärmeln. Vielleicht hat er für seine erlittenen Qualen mehr Mitleid verdient.
    Aber nicht für das, was er getan hat.
    «Du hast Crispus getötet, um Eusebius zurückholen zu können?»
    « Du hast Crispus getötet», herrscht er mich an. «Du und Konstantin. Ich habe bloß» – er hebt die Arme und entblößt die vernarbten Stümpfe – «an einigen Fäden gezogen.»
    «Warum erzählst du mir das alles?»
    «Weil ich will, dass du Bescheid weißt. Es ist schließlich deine eigene Geschichte, und du kanntest sie nicht.»
    Jetzt verstehe ich, warum er mich an diesen öffentlichen Ort geführt hat. Wären wir allein, hätte ich ihn umgebracht.
    «Und wenn ich dich jetzt auffliegen lasse?»
    «Es würde nichts ändern. Faustas Söhne sind an der Macht. Glaubst du etwa, sie würden diejenigen bestrafen, die ihnen dazu verholfen haben?» Er neigt seinen Kopf zur Seite, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. «Wenn es ihnen um Gerechtigkeit geht, könnten sie den Mörder ihres Halbbruders hinrichten lassen.»
    «Warum? Wegen der Entscheidung des Konzils von Nicäa? Weil Crispus der einen Formel gegenüber der anderen den Vorzug gab?»
    «Formel?» , höhnt er. «Es geht um die Beschreibung Gottes. Einen Irrtum können wir uns nicht erlauben.» Er setzt sich wieder in Bewegung. Wir passieren das dunkle Tor des Hippodroms. «Es war Konstantins Fehler. Vor zehn oder zwanzig Jahren war Arius’ Stimme eine unter vielen. Auf seine Schriften hätten seine Gegner nur mit Gegenreden antworten können. Aber Konstantin wollte Gewissheit, die so unantastbar sein sollte wie seine Herrschaft. Er wollte den Gottesbegriff festlegen und zwang uns zur Entscheidung.»
    Er legt eine Pause ein und schaut mich an. Er hat seine gehässige Maske abgelegt und scheint um Verständnis zu werben.
    «Was wäre uns anderes übrig geblieben?»
    Es zieht mich zurück in meine Höhle, wo ich die Wunden lecken kann, die Asterius aufgerissen hat. Aber ich muss

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