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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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und pflückte Traubenhaut aus seinen Zähnen. »Also hat Kellen dich aufgespürt? Es war mir klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Verrate mir eines: Hat er eine seltsame blaue Flamme nach dir geschleudert?«
    »Ja«, sagte Avi und erschauderte beim bloßen Gedanken.
    »Kellens Feuer ist ein mächtiger Zauber, der die Kraft hat, dich zurück ins Feenreich zu holen.« Roosevelt kratzte sich am Kinn. »Wenigstens wissen wir jetzt, was zu tun ist. Du musst zurück ins Feenreich, Avi, und zwar so schnell wie möglich. Da Kellen mit diesem Schritt nicht rechnet, wird es ihn aus dem Konzept bringen, und wir gewinnen wertvolle Zeit. Und dann finden wir einen Weg, um dich in Sicherheit zu bringen.« Roosevelts Blick wurde träumerisch. »Ach, noch einmal den Fluss hinunterzufahren und die Wiesen des Elfengrunds zu durchstreifen …«
    »Ich gehe nicht zurück ins … Feenreich. Oder wohin auch immer«, widersprach Avi.
    Roosevelt riss so weit die Augen auf, dass sein Monokel ins Brandyglas fiel. Er fischte es heraus und leckte es ab. Hannah verdrehte die Augen. »Habe ich gerade richtig gehört?«
    »Durin hat gesagt, ich solle hier im Reich der Sterblichen bleiben, bis das Orakel bestimmt, dass ich gehen kann. Er hat sich unmissverständlich ausgedrückt.«
    »Wirklich?«, zischte Roosevelt. Er leerte sein Glas und knallte es auf den Tisch. »Und du glaubst eher dem Wort eines Toten als dem von Roosevelt?«
    »Offen gestanden, ja.«
    »Und was, mein lieber Junge, willst du im Reich der Sterblichen anfangen, während du darauf wartest, dass das Orakel eine Entscheidung fällt?«
    Avi rieb sich die Stirn. »Ich bin nicht sicher. Vielleicht versuche ich, mein Gedächtnis wiederzufinden. Dann verstehe ich möglicherweise endlich, was hier gespielt wird.«
    Roosevelts Miene erhellte sich. »Der Junge möchte sein Gedächtnis zurück«, rief er und stand auf. »Nun, in diesem Fall könnte Roosevelt ihm behilflich sein.«

    »Hat er wirklich ›Feen‹ gesagt?«, flüsterte Hannah, während Roosevelt auf allen vieren in einem großen begehbaren Wandschrank kramte.
    »Ja«, entgegnete Avi. »Hat er.«
    »Und du findest das nicht komisch?«
    »Du hast Kellen doch selbst auf dem Taxidach gesehen, oder?«
    »Schon. Aber traust du diesem Kerl?« Sie deutete auf Roosevelts ausladendes Hinterteil.
    »Ich habe Durin getraut, und der wiederum traute Roosevelt. Mir bleibt nichts anderes übrig.«
    Roosevelt grunzte etwas und wuchtete sich dann mühsam hoch. »Die Sachen müssen da drin sein …«
    »Und warum soll Avi in dieses seltsame Feenland gehen?«, fragte Hannah.
    »Weil er dort hingehört, meine Liebe«, antwortete Roosevelt, ohne sich umzudrehen. »Es ist die Welt, in die und für die er geboren wurde.«
    Für die er geboren wurde?, dachte Avi. Eine merkwürdige Ausdrucksweise.
    »Aber er ist doch nur ein Junge«, protestierte Hannah. »Sei nicht beleidigt, Avi«, fügte sie hinzu.
    Roosevelt nahm einige Gegenstände von einem Schrankbrett. »Für dich vielleicht«, sagte er. »Für sein Volk hingegen ist er viel mehr. Sehr viel mehr.«
    »Mein Volk?«, murmelte Avi.
    Triumphierend tauchte Roosevelt aus dem Wandschrank auf. Er hatte einen Berg Kleidungsstücke in der Hand.
    »Eine Hinterlassenschaft von meinem Vormieter. Ach, der Arme musste ziemlich eilig fort. Ich würde dir ja etwas aus meiner eigenen Garderobe anbieten«, er klopfte sich auf den dicken Wanst, »doch ich fürchte, meine Gewänder könnten ein wenig zu umfangreich sein.«
    Während Hannah aus der Zimmermädchenuniform wieder in ihre Sachen schlüpfte, kramte Avi eine graue Baumwollhose und ein weißes Sweatshirt aus Roosevelts Haufen.
    »Gibt es im Feenland wirklich Feen?«, erkundigte sie sich.
    Roosevelt stand vor dem Spiegel und rückte seine Weste zurecht.
    »Ihr Sterblichen sitzt wirklich auf der Leitung«, verkündete er. »Natürlich gibt es welche. Außerdem noch verschiedene andere Geschöpfe, die ihr ebenfalls aus eurem Leben verbannt habt – auf eigene Gefahr, wie ich hinzufügen muss. Sie haben viele Namen, von denen dir die bekannteren sicher vertraut sind: Elfen, Kobolde, Nymphen, Feen und Zwerge. Allerdings existieren noch viel mehr. Dein schwacher Verstand wäre gar nicht in der Lage, die Unterschiede zu erfassen. Nun aber genug davon, wir müssen los.«
    »Wohin?«, erkundigte sich Avi und legte sich Durins Mantel über den Arm. Er war zwar zu warm für einen Sommertag, doch er hätte es nicht über sich gebracht, ihn zurückzulassen.

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