Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
vor?«
»Mich auf meine Instinkte verlassen. Meinem Riecher folgen. Auf meinen Bauch hören.«
»Du hast ja nicht einmal eine Nase«, wandte Avi ein. »Außerdem kann ich nicht fliegen.«
»Dann überlegen wir uns eben etwas anderes«, rief Brucie und fiel Avi um den Hals. »Wir beide sind ein Team. Das waren wir vom ersten Tag an.«
»Damals im Schnee«, sagte Avi. »Die Treppe aus Efeu.«
»Du erinnerst dich!«
»Ja.«
Während Brucie durch die Luft wirbelte, betrachtete Avi den Turm mit neuer Ehrfurcht. »Wir werden Hilfe brauchen, um da reinzukommen«, stellte er fest.
Foster tippte ihn auf den Arm.
»Ein Glück, dass ihr mich habt«, erwiderte er, aß den letzten Bissen von seinem Apfel und warf das Kerngehäuse ins Wasser. »Sag mal, Avi, kannst du schwimmen?«
Kapitel 21
F oster erklärte ihm seinen Plan mit dem sogenannten Verrätertor, der eigentlich recht einfach klang. Doch als Avi in den Fluss hineinwatete, wurde ihm das gewaltige Ausmaß seines Vorhabens klar. Zum Turm schwimmen? Das war doch unmöglich!
Hannah ist dort, sagte er sich. Das weiß ich genau. Und sie braucht mich!
Sein einziger Trost bestand darin, dass das Wasser, zumindest an der Oberfläche, warm war.
»Was soll das?«, fragte er. »Wir haben doch Winter. Ich dachte, ich würde erfrieren.«
»Magie neigt dazu, an der Oberfläche zu treiben«, erläuterte Brucie. »Und eine Menge davon landet im Fluss.«
Erst als das Wasser ihm bis zur Taille reichte, fiel Avi ein, dass er noch seinen Rucksack bei sich hatte.
»Mein Buch«, sagte er. »Es wird nass werden, und dann ist es zerstört.«
»Du musst es zurücklassen«, antwortete Brucie.
»Das geht nicht. Wir müssen einen anderen Weg finden.«
»Es gibt keinen«, entgegnete Foster. »Das haben wir doch schon alles durchgekaut. Nur durch das Verrätertor kannst du in den Turm gelangen. Und das Verrätertor erreicht man ausschließlich über das Wasser. Ach, fast hätte ich es vergessen.« Er watete zu Avi hinaus und steckte ihm etwas in die Tasche.
»Was ist das?«
Foster tippte sich auf die Nasenspitze. »Eine Art Schlüssel, der dir helfen wird, mit dem Türhüter fertig zu werden.«
»Was für einem Türhüter? Du sagtest doch, das Verrätertor sei unbewacht.«
»Ich habe gesagt, dass Kellen dort keine Wachen aufstellt. Du wirst also weder Goblins noch Grimalkins oder gar der Garde vom Weißen Turm begegnen.«
»Wem dann?«
Während Foster ihm alles erklärte, rieb Avi sich die Schultern. Das Wasser war zwar warm, doch das galt nicht für den Wind. Außerdem wollte er endlich aufbrechen. »Ich begreife trotzdem nicht, warum wir kein Boot nehmen können«, protestierte er, nachdem Foster fertig war.
»Weil die Grimalkins Tag und Nacht den Fluss patrouillieren. Die Nachtpatrouillen sind am schlimmsten. Sie fressen jeden auf, den sie erwischen. Und das meine ich wörtlich. Aber du hast den Schlüssel. Dir kann nichts geschehen.«
Avi erschauderte. »Gut, dann also kein Boot. Und was mache ich mit meinem Buch?«
»Ich passe darauf auf«, erbot sich Foster.
Avi trat einen Schritt zurück, wäre fast auf dem Flussbett ausgerutscht und fand nur mit Mühe sein Gleichgewicht wieder. »Du machst Witze!«
»Ausnahmsweise nicht«, entgegnete Foster.
»Auf gar keinen Fall.«
»Überlege es dir. Es ist die vernünftigste Lösung. Während du im Wasser bist, ist Brucie in der Luft, und ich bereite in Clerkenwell einen Unterschlupf für uns vor. Dort verstecke ich dein Buch und fliege dann zu unserem Treffpunkt. Deinem Buch kann nichts geschehen.«
»Ich finde den Plan nicht schlecht«, stimmte Brucie zu.
»Ich weiß nicht«, meinte Avi, dem die Vorstellung, sein Buch herauszurücken, gar nicht schmeckte.
»Betrachte es einmal so«, fuhr Foster fort. »Natürlich könntest du dein Buch auch in wasserdichte Ölhaut einwickeln, damit es das Bad übersteht …«
»Wirklich?«, fragte Avi voller Hoffnung.
»… aber möchtest du deinen wertvollsten Besitz in die Höhle des Löwen mitschleppen?«
Also nahm Avi den Rucksack ab und holte das Buch heraus. Der rote Ledereinband schimmerte im Licht der Sterne. Der Drang, es aufzuschlagen und noch ein Kapitel aus seiner Vergangenheit zu lesen, war übermächtig.
»Ich darf nicht riskieren, dass es Kellen in die Hände fällt«, verkündete er schließlich und hielt Foster das Buch hin. Als die Finger des Elfen sich um den Einband schlossen, wurde Avis Griff fester. »Falls dem Buch etwas zustößt, Foster …«
»Ich
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